Er steht da, durchtrainiert bis zur Glätte, ein Produkt purer Disziplin, wie eine real gewordene Wachsfigur: Bryan Johnson optimiert sich selbst mit der Strenge einer KI – 54 Pillen zum Frühstück, 8 Stunden 34 Minuten Schlaf, die perfekte Herzfrequenz.
Der Film «Don’t Die» versucht ein menschliches Experiment zu dokumentieren. Über allem schwebt der Traum von Unsterblichkeit. Was zurückbleibt: Der Albtraum, alles andere zu verlieren.
Im Fokus steht Bryan Johnson, amerikanischer Tech-Millionär, Gesundheitsextremist, Anti-Aging-Missionar und offensichtlich Fan seines eigenen durchtrainierten Oberkörpers. Die Dokumentation zeigt das Leben dieses Mannes, der sich buchstäblich zu Tode optimiert, um nicht zu sterben. Die Kamera folgt ihm durch seine minutiös durchgetakteten Tage: Den Frühstücksbrei gibt’s im Spagat, die illegale Gen-Therapie in Honduras, die letzte Mahlzeit um 11 Uhr morgens.
Schnell fragt man sich: Wofür das alles, Bryan? Die Antwort darauf liefert der Film nur bedingt. Er verliert sich zwischen Familiendrama, pseudowissenschaftlichen Experimenten und Bryan Johnsons PR-Maschinerie.
Gesundheits-Workaholic
Hinter der polierten Fassade liegt eine Geschichte, die spannender klingt, als sie erzählt wird. Johnson, aufgewachsen in einer mormonischen Familie, suchte schon früh das Extreme – erst im Glauben, dann im Unternehmertum, jetzt in der Verjüngung. Seine Kindheit war schwierig: Die Eltern geschieden, der Vater im Gefängnis, die Zweifel an Gott früh da.
Heute inszeniert sich Johnson als Gesundheits-Workaholic, der «für die Wissenschaft» mit seinem eigenen Blutplasma experimentiert, als versuche er den Fluss der Zeit mit jedem Tropfen zurückzudrehen. Ein schöner Familienmoment: Johnson bietet seinem Vater einen Liter seines eigenen, «jugendlichen» Plasmas an. Kein Wein, kein Gespräch – nur purer Fortschritt im Beutel.
All diese absurden Ambitionen machen Johnson zu seiner tragikomischen Figur: Ein Mann, der die Wissenschaft beschwört, ihre Methoden aber ignoriert. Der behauptet, etwas für die Menschheit zu tun, während er vor allem sich selbst zur Marke macht. So sehen wir ihn etwa im «Don’t Die»-T-Shirt zur Wanderung aufrufen oder sein Verjüngungsprojekt «Blueprint» anpreisen.
Kritische Stimmen im Film, wie die von Wissenschaftlern wie Dr. Steve Horvath, entlarven die Lücken im Ansatz: Johnson experimentiert an sich selbst so wild herum, dass sich keine seriösen Schlussfolgerungen ziehen lassen. Andere Expertinnen im Film bleiben vorsichtig und stützen sich auf Aussagen, die man sicher treffen kann, etwa: «Bei Mäusen hat’s mal funktioniert».
100 Jahre sind nicht genug
Aber der Film lässt auch Raum für leise Töne. Berührend ist das Gespräch zwischen Johnson und seinem 19-jährigen Sohn, der sich um den Vater sorgt. Johnson will auch «wegen ihm» so lange leben. 100 Jahre seien nicht genug. Das klingt wie ein sentimentaler Anker, bleibt aber ungreifbar – ebenso wie Johnsons Ziel. Will er sich selbst lieben lernen oder doch nur die Ewigkeit herausfordern?
Netflix erzählt diese Geschichte mit viel Schauwert, aber wenig Tiefe, fast so, als hätte man Angst, die glänzende Oberfläche zu zerkratzen. Am Ende ist «Don’t Die» ein faszinierender Blick auf den Extremismus der Selbstoptimierung – und ein trauriges Beispiel dafür, wie weit wir gehen, um das Unvermeidliche hinauszuzögern.