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«Longevity»-Trend Der Hype um die Langlebigkeit

Länger leben, und zwar gesund: Das ist der Traum vieler – und ein Versprechen der lukrativen «Longevity»-Szene. Was steckt hinter dem Hype?

Es sind Gäste aus 15 Ländern, die sich im Luxushotel Suvretta House in St. Moritz treffen, darunter eine Delegation aus Saudi-Arabien, Forschende, Investoren, Startups, ein indischer Guru. Ebenso breit ist das Spektrum der Diskussionen, die hier stattfinden: Es geht um Therapien für altersbedingte Krankheiten, Techniken, mit denen Zellen verjüngt werden sollen, aber auch um Achtsamkeit und das richtige Atmen.

Das gemeinsame Ziel: möglichst lange zu leben – und dabei gesund zu bleiben.

Verschiedene Ansätze für Langlebigkeit

Einer der radikaleren Vertreter der sogenannten «Longevity»-Community ist der britische Bioinformatiker Aubrey de Grey, der ebenfalls in St. Moritz auftritt. Er behauptet, der erste Mensch, der 1000 Jahre alt werde, sei bereits geboren. De Grey will mit verschiedenen Schritten Schäden am Körper reparieren, um den Alterungsprozess umzukehren. Seine Forschung ist sehr umstritten.

Ähnlich futuristisch klingt das Forschungsgebiet von Vittorio Sebastiano von der Stanford-Universität. Er will die biologische Uhr beim Menschen zurückdrehen durch die Verjüngung von erwachsenen Zellen. In Laborversuchen ist es bereits gelungen, die Zellen von Mäusen zu verjüngen.

Neben experimentellen Ansätzen werden an der Konferenz auch uralte Weisheiten wie Atemtechniken, Achtsamkeit und Meditation gegen das Älterwerden präsentiert. Auch Kliniken stellen Anwendungen vor, die lebensverlängernd sein sollen: Dazu gehören Sauerstoffbehandlungen, Kältekammern oder Nahrungsergänzungsmittel.

Was ist dran an solchen Versprechungen?

Reto W. Kressig ist Professor für Altersmedizin an der Universität Basel. Er kann den Hype um die Langlebigkeit nachvollziehen. In den letzten zehn Jahren sei die Altersforschung tatsächlich vorwärtsgekommen. Allerdings gebe es noch viele Fragezeichen – und zu wenige Studien.

«Ein grosser Teil der Forschung ist noch im Stadium der Mäuse. Ob diese Ergebnisse je auf den Menschen übertragen werden können, ist völlig unklar», so Reto Kressig. Einige Resultate, etwa zur Zellverjüngung, seien vielversprechend, stünden aber noch am Anfang. Viele der Anwendungen, die bereits auf dem Markt seien, sieht Kressig hingegen kritisch: «Kältekammern, Sauerstoffbehandlungen und Nahrungsmittelergänzungen sind Humbug.» Solche Angebote seien unseriös, weil es keine wissenschaftliche Evidenz dafür gebe.

Es sei aber richtig, dass die Menschen das Altern beeinflussen könnten. Mehrere Studien hätten nachgewiesen, dass eine gesunde Ernährung, körperliche und geistige Aktivität sowie soziale Kontakte einen positiven Einfluss auf den Alterungsprozess hätten.

In St. Moritz geht es nicht allen um die individuelle Optimierung, sondern auch um die Heilung von Alterskrankheiten. «Die Weltbevölkerung altert schneller denn je und das wird uns viel kosten, wenn wir nicht herausfinden, was wir dagegen unternehmen können», sagt der renommierte Biologe Steven Austad.

In den nächsten Jahren brauche es solide Forschung. Austad selbst hofft, mit seiner Forschung den Menschen zehn oder 20 zusätzliche gesunde Jahre zu ermöglichen.

Rundschau, 02.10.2024, 20:10 Uhr

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