Pedro Almodóvars letzte Filme wirkten in ihrer Perfektion seltsam distanziert. «Julieta» war als Mutter-Tochter Drama zuweilen packend, wirkte auf mich aber wie eine Stellvertretergeschichte. «La piel que habito» von 2011 war ein eiskalter, gut gemachter Rachethriller. Aber ein Film, der in einer anderen Welt zu spielen schien.
Nun hat Almodóvar offensichtlich Gegensteuer gegeben. «Dolor y Gloria» ist unverhohlen autobiografisch, gleichzeitig stilisiert, selbstironisch und persönlich. Und doch auch wieder künstlerisch reduziert.
Früher Kult-Regisseur, heute Wrack
Der Kult-Regisseur, den Antonio Banderas – das frühe Alter ego Almodóvars – hier spielt, ist ein nervöses Wrack. Gequält von chronischen Leiden, gedämpft von Schmerzmitteln, zurückgezogen und allein in seiner Wohnung voller Kunstwerke.
Nur eine alte Freundin (gespielt von Cecilia Roth) kümmert sich noch um ihn, die Haushälterin gibt sich Mühe, aber lässt ihm seine Marotten.
Bis diese Einladung kommt von der Cinémathèque, zum Jubiläum seines damaligen Durchbruchsfilms eine Aufführung zu organisieren und ein Gespräch zwischen dem Regisseur und seinem damaligen Hauptdarsteller, mit dem er sich trotz oder vielleicht wegen des Erfolgs überworfen hatte.
Zwischen Distanz und Sentimentalität
Die erzwungene Begegnung mit diesem Mann aus der Vergangenheit bringt einiges ins Rollen. Eine neue Drogensucht, aber auch neue Einsichten, und dazu eine weitere Begegnung mit einem einstigen Liebhaber.
Das seltsame an diesem wie immer farblich und räumlich perfekt gestalteten Film ist die Mischung aus Distanz und Sentimentalität, aus selbstkritischer Betrachtung und gesteuerter Verklärung.
Penelope Cruz spielt die junge Mutter des Regisseurs in seinen Kindheits-Erinnerungen. Julieta Serrano dann die alte Mutter. Beide Figuren sind zugleich verklärt und realistisch gezeichnet. Der ganze Film steht in diesem Spannungsverhältnis zwischen klarem Blick und Sentimentalität.
Dieser Schwebezustand ist die grösste Stärke von «Dolor y Gloria», die gleichzeitige Vermittlung von Wehleidigkeit und Einsicht. Natürlich soll man sich hüten, diesen Film als autobiografische Fussnotensammlung zu verstehen. So kommt etwa der Vater kaum vor und Almodóvars Bruder und Produzent überhaupt nicht als Figur – dafür als Schauspieler.
«Dolor y Gloria» ist ein Spiel mit den eigenen Befindlichkeiten des Regisseurs wie auch der Zuschauer. Ein ziemlich raffiniertes, oft anrührendes auch. Aber der Film bleibt ein Spiel. Er wirkt, als ob Almodóvar selber nicht so genau wüsste, was einst die Kraft und die Gefahr in seinem Werk darstellte.
Kinostart Schweiz: 23. Mai 2019