Ein Blick auf Roger Cormans filmische Hinterlassenschaft lässt vermuten, dass ein hyperaktiver Draufgänger am Werk gewesen sein muss: Die Online-Filmdatenbank IMDB listet ab 1954 fast 500 Filme mit Corman als Produzent. Viele davon sind versehen mit reisserischen deutschen Verleihtiteln wie «Zwei Satansbraten ausser Rand und Band» oder «Der ausgeflippte College-Geist».
Das lässt auf einen Geschäftsmann schliessen, der die Filmbranche als Casino verstand: Ein paar Banknoten, eine Marketingidee und dann schauen, ob das Publikum anbeisst. Wer Corman allerdings persönlich kennengelernt hat – er war 2004 Jurypräsident des Neuenburger Filmfestivals NIFFF und 2016 Ehrengast in Locarno – sah sich einem besonnenen, kunstaffinen Pragmatiker gegenüber.
Die richtige Idee zur richtigen Zeit
Roger Cormans Anfänge fallen auf eine Zeit, in der die Übermacht der Hollywood-Studios zu wanken begann, und in der sich künstlerischer Ehrgeiz – gepaart mit Geschäftssinn – zu lohnen begann: Mitte der 50er-Jahre kam es zu einer Demokratisierung in der US-Film- und Kinolandschaft. Es wurde Platz frei für neue Talente. Und Corman beanspruchte diesen Platz für sich: früh und erfolgreich.
Corman folgte einer einfachen Gleichung zwischen Kunst und Kommerz: Er antizipierte, was die Menschen sehen wollten, und setzte es dann möglichst kostengünstig und zeitsparend um. Wobei es ihm wie keinem zweiten Produzenten gelang, seine Filme sehr viel teurer aussehen zu lassen, als sie es tatsächlich waren. Dafür hatte er ein ganzes Arsenal an Tricks auf Lager.
Beachtliche Talentschmiede
Einige dieser Tricks sind offensichtlich: Corman verfilmte Edgar Allan Poe, weil er dafür keine Urheberrechte bezahlen musste. Corman war ein Meister im Recyclen von Filmsets. Und Corman verstand den Zeitgeist der 50er, 60er und 70er: Weil junge Leute damals Spielfilme von und mit jungen Leuten sehen wollten, baute er Schauspiel- und Regietalente auf. Weniger Kosten, mehr Nutzen – und rückblickend: Unglaublich, wer alles bei Corman angefangen hat.
Corman war zweifellos ein Geburtshelfer des New Hollywood der 70er: Weil viele grosse Namen dieser Bewegung zuvor unter ihm gearbeitet hatten, und weil er mit seinen Produktionsmodellen die Basis dafür gelegt hatte, wie sich künstlerische Ambitionen mit Kommerz vereinen liessen.
Kein neues Hollywood
Mit dem New Hollywood war aber auch der Zeitpunkt gekommen, an dem Cormans kreativer Einfluss zu schwinden begann: Zöglinge wie Coppola und Scorsese wurden ohne seine Schützenhilfe zu viel beachteten Autoren. Roger Corman hingegen – wohl beflügelt vom Überraschungserfolg von Paul Bartels Trash-Satire «Death Race 2000» (1975) – investierte stoisch in anspruchslose Exploitation.
Man muss es nicht beschönigen: Ab 1983 finden sich in Cormans ausuferndem Schaffen keine Werke von bleibendem Wert. Der Geschäftsmann hatte längst über den Künstler gesiegt.
Hinter dem Produzenten: Der Regisseur
Zurück zu Cormans Tricks, billige Filme teuer aussehen zu lassen. Da war noch einer, ein nicht ganz so offensichtlicher: Corman war ein Ästhet, ein kultivierter Ästhet. Seine selbst inszenierten Poe-Filme sehen noch heute gut aus. Und sein psychedelisches Opus «The Trip» (1967) enthält schlicht alles, was man zur kalifornischen Drogenkultur dieser Jahre wissen muss – inszeniert von einem Profi, der mit Hippiekultur gar nichts am Hut hatte.