Die Serie «Shtisel» war 2013 ein Quotenrenner im israelischen Privatfernsehen. Sie unterhielt nicht nur gut, mit grandiosem Sounddesign und tollen Schauspielerinnen und Schauspielern. «Shtisel» bewegte auch gesellschaftlich etwas.
Sie weckte bei den nichtreligiösen Israelis etwa mehr Verständnis für den bisher eher verhassten ultra-orthodoxen Teil ihrer Gesellschaft. Der steht nämlich im Ruf, nichts zur Gesellschaft beizutragen, dafür aber von Sozialhilfe zu leben.
Date bei einem Glas Wasser
Gleich in der ersten Folge dürfen wir den Jungrabbiner Akiba Shtisel zum ersten Date folgen. Selbiges ist freilich von einem Heiratsvermittler arrangiert und verläuft ohne jeden Körperkontakt.
Der 26-jährige Shtisel trifft die fast zehn Jahre jüngere, hübsche Heiratskandidatin in einem öffentlichen Café. Sie sitzen bei einem Glas Wasser. Doch die beiden haben nicht denselben Humor. Und Shtisels Leidenschaft, das Zeichnen, hält sie für unnützen «Blödsinn». Das trifft den jungen Mann, zumal er weiss, dass sein Vater, ein geachteter Rabbiner und Schulleiter, auf dieser Hochzeit bestehen wird.
Die Frau, in die sich Shtisel verliebt, ist Witwe und schon zweifache Mutter. Sie lehnt der Vater ab.
Schwerer Stand in High-Tech-Israel
Shtisel selbst will lieber Künstler sein als Rabbiner. Damit eckt er an im ultra-frommen Milieu wie auch beim sittenstrengen Vater, der zeitgleich ein Doppelleben führt.
Mit dem Schicksal von Shtisels Schwester Gitti rücken auch die speziellen Nöte ultra-orthodoxer Frauen ins Zentrum: Gitti war mit fünf Kindern von ihrem Mann sitzen gelassen, aber nicht geschieden worden. So kann sie nicht wieder heiraten, muss aber Geld verdienen für sich und die Kinder.
Sie versucht es in der säkularen Mehrheitsgesellschaft. Aber High-Tech-Israel macht es der ungebildeten Mutter ohne Smartphone schwer, Fuss zu fassen.
Verbotene Liebesfilme
Das alles sind typische Probleme, mit denen ultra-orthodoxe Jüdinnen und Juden zu kämpfen haben. Sie leben mehrheitlich in prekären Verhältnissen. Das zeigt Shtisel und vergisst darüber nicht, unterhaltsam und humorvoll zu sein.
Eine verschmitzte Sympathieträgerin ist zum Beispiel Shtisels Grossmutter im Altersheim. Zur Entrüstung ihres sittenstrengen Rabbinersohns lässt sie sich einen Fernsehapparat ins Zimmer bringen und schaut verbotene Liebensfilme.
Keine falsche Romantik
2013 lief die erste von 24 Folgen Shtisel im israelischen Privatversehen. Die säkulare Mehrheit des israelischen Fernsehpublikums hat sie begeistert. Erstmals bekam es hier intime und doch realistische Einblicke ins abgeschottete Leben von Ultra-Orthodoxen.
Dabei ist Shtisel nicht voyeuristisch. Die Serie weckt Verständnis für religiöse Menschen, ohne zu romantisieren. Damit baute Shtisel tatsächlich schon ein Stück von dem grossen Hass ab, der zwischen ultra-religiösen und nicht-Religiösen Israelis herrschte.