An den Filmtagen laufen gleich zwei Dokus über kämpfende Frauen. Sehr zur Freude von Monika Hofmann, Mitarbeiterin am Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern. Sie erklärt, warum Kämpferinnen im Sport noch immer in der Unterzahl sind. Und wie sich das ändern könnte.
SRF: Die Protagonistin von «Ale» ist eine von sehr wenigen Frauen in ihrem Wrestling-Club. Auch die MMA-Fighterin Maryna in «Amazonen einer Grossstadt» findet kaum Gegnerinnen. Warum betreiben so wenige Frauen Kampfsport?
Monika Hofmann: Sport und vor allem auch Wettkämpfe sind ein männliches Feld. Frauen haben es sich erst im Laufe des letzten Jahrhunderts nach und nach erobert.
Kampfsport im Speziellen ist noch immer sehr männlich attribuiert. Weil es stark mit Körperlichkeit, Aggression und Härte assoziiert wird. So ist es auch nicht erstaunlich, dass das jetzt eines der letzten sportlichen Felder ist, welches die Frauen einnehmen.
Warum so spät?
Lange durften die Frauen keinen Kampfsport betreiben. Der internationale Amateur-Boxverein liess Frauen beispielsweise erst 1994 für Kämpfe zu. Der Schweizerische Boxverband erst 1996. An den Olympischen Spielen wurde Boxen als Disziplin für Frauen sogar erst 2012 eingeführt. Das ist schon krass!
Viele meinen, es gehe nur ums aggressive Dreinschlagen, um Wut und Hass. Das stimmt nicht!
Deshalb fehlt es Frauen auch an Vorbildern. Wenn man eine Frau kennt, die Kampfsport macht, ist die Hürde viel kleiner, es selbst auszuprobieren.
Welche Rolle spielen Geschlechterbilder?
Eine grosse! Mädchen werden schon als Kinder weniger dazu ermutigt, sich zu raufen, als Jungs. Klischeemässig traut man Frauen oft nicht zu, dass sie kämpfen können. Sie seien zu sanft, zu zurückhaltend.
Diese Geschlechterbilder müssen sich unbedingt ändern. Eine Frau kann auch hart schlagen. Sie kann auch aggressiv sein. Und das ist vollkommen okay.
Geht es im Kampfsport um Aggression?
Viele meinen, es gehe nur ums aggressive Dreinschlagen, um ungezügelte Wut oder sogar Hass. Das stimmt so nicht.
Kampfsport-Training kann bei alltäglichen Kämpfen helfen, zum Beispiel für Gleichstellung oder gegen Sexismus.
Kampfsport ist gezügelte Aggression. Es ist überlegtes, kontrolliertes Angreifen. Koordination und Taktik sind enorm wichtig. Man muss ein Gefühl für die andere Person entwickeln, für Distanz und Nähe.
Was bringen diese Fähigkeiten im Alltag?
Sie können bei alltäglichen Kämpfen helfen. Sei es im Job, für mehr Gleichstellung oder gegen Sexismus.
Auch dort muss man die eigene Wut oder den Frust unter Kontrolle haben und sich überlegen: Wo stehe ich genau? Bin ich in der Balance? Gegen wen oder was kämpfe ich? Mit welcher Taktik gehe ich vor? Wo sind meine Grenzen? Wie steht es um meine Verteidigung?
Sollten mehr Frauen Kampfsport machen?
Wichtig wäre vor allem, dass sowohl Frauen als auch Männer die Sportarten ausüben können, die sie wollen oder gut können. Frei von Geschlechterklischees.
Das Gespräch führte Britta Gfeller.