Es war das Ereignis, das mich als jugendliche Frau nachhaltig politisch prägte: Ende 1989 erschütterte der Fichenskandal die Schweizer Öffentlichkeit. Während Jahrzehnten waren zwecks Staatsschutz Bürgerinnen und Bürger bespitzelt worden.
Eine Untersuchungskommission fand fast eine Million Karteikarten mit Informationen über etwa 700’000 Personen und Organisationen. Die Empörung war gross – und das Image der biederen und anständigen Schweiz angekratzt.
«Trinkt abends gern ein Bier»
30 Jahre später ist der Fichenskandal fast vergessen, oder er wird im Rückblick ziemlich verharmlost. «Trinkt abends gern ein Bier» – der Eintrag der Nationalrätin Menga Danuser ist zum berühmtesten Ficheneintrag geworden.
Auch Micha Lewinsky zitiert diesen Eintrag in seinem Film. Die Geschichte setzt er kurz vor dem Mauerfall an.
Viktor (Philippe Graber) ist Staatsschutzbeamter. Seine Aufgabe besteht darin, das als radikal links verschrieene Lokalradio LoRa abzuhören und die Aussagen des Moderators zu fichieren.
Ein Statist in der linken Szene
Dann allerdings wird er von seinem Chef Marogg (Mike Müller) zum Undercovereinsatz beordert: Er soll als Statist in einem Shakespearestück die linke Theaterszene ausspionieren.
Dem auf Misstrauen getrimmten Jungpolizisten erscheint zunächst alles verdächtig. Dann allerdings verliebt er sich in die Schauspielerin Odile Lehmann (Miriam Stein). Das Doppelspiel wird ihm immer unangenehmer. Und prompt, kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, fliegt ihm die Fichenaffäre auch ganz persönlich um die Ohren – denn Odile will nach seiner Enttarnung natürlich nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Es ist ein hübscher Einfall, diese Geschichte in einem Theater spielen zu lassen, in dem es vor verdächtigen «subversiven Objekten» nur so wimmelt: vom vermeintlich radikal politischen deutschen Regisseur Carl Heymann (Michael Maertens) über den paranoiden Kantinenwirt, dessen Misstrauen sich am Ende als berechtigt herausstellt. Bis hin zum Portier, der im Nebenjob eben jenes linke Radio betreibt, das Viktor abhören muss.
«Die Schweizermacher» als Vorbild
Aber «Moskau Einfach!» ist ein Spiegel der Verarbeitung dieser Staatsaffäre: etwas zu harmlos und geradezu nostalgisch. Welche tragische persönliche Folgen die Fichierung haben konnte, wird nur am Rand erzählt: am Beispiel eben jenes Portiers und Radiomoderators, der ausgebildeter Lehrer ist, aber einfach keine Stelle bekommt und darüber schier verzweifelt.
Das ist aber nur eine kleine Randgeschichte in dieser Liebeskomödie, der die Bissigkeit fehlt. Und die, wahrscheinlich nicht ganz zufällig, sehr stark an Rolf Lyssys «Die Schweizermacher» erinnert – das Setting ist praktisch identisch:
Ein älterer Beamter, der seinen jüngeren Kollegen unter die Fittiche nimmt und ihm das richtige, staatstragende Vorgehen beibringt (dort Einbürgerungswillige auf Herz und Nieren prüfen, hier subversive Objekte bespitzeln). Dann allerdings verliebt sich der Jüngere in ein verdächtiges Subjekt.
«Die Schweizermacher» sind von 1978 – «Moskau Einfach!» wirkt in Ton, Atmosphäre und Anmutung nicht jünger oder frischer: Der Film ist durchaus charmant, gemütlich, aber leider behäbig und wenig politisch.