«Ich denke, dass ich die Kapitänin eines grossen Schiffs bin.» So beschreibt Anita Hugi ihren neuen Job als Direktorin. Als Nachfolgerin von Seraina Rohrer habe sie mit den Solothurner Filmtagen das Ruder eines wirklich grossen Schiffes übernommen, fügt sie gleich hinzu.
Doch wer ist diese Anita Hugi überhaupt, die es sich zutraut, das Flaggschiff des Schweizer Films zu steuern?
Cinephile Allrounderin
Anita Hugi hat ihre bisherige Karriere dem Film gewidmet: Sie ist Autorin, Regisseurin, Produzentin und Dozentin.
Ausserdem war sie elf Jahre lang als Redaktorin für das Filmprogramm von «Sternstunde Kunst» verantwortlich und zuletzt Programmdirektorin eines Filmfestivals in Montreal.
Grosse Party in Attisholz
Hugi beschreibt sich selbst als eine Person mit vielen Ideen. Dieses Jahr sollen die Besucher nach langem Sitzen in den Kinosälen auch mal das Tanzbein schwingen können. Am Eröffnungsabend spielt die Indie-Band Puts Marie, deren Musikvideo «Catalan Heat» letztes Jahr in Solothurn ausgezeichnet wurde.
Weiter geht es am Wochenende mit einer Party in einer riesigen Industrie-Brache. Im nahegelegenen Attisholz-Areal wird es das erste gemeinsame Fest aller Schweizer Filmschulen geben.
Mit solchen Aktionen möchte Hugi Generationsgrenzen aufbrechen und den Festival-Stammgästen einen Perspektivenwechsel nahelegen.
Die vergessenen Filmpionierinnen der Schweiz
Verstaubt seien die Filmtage nie gewesen, findet Hugi. Sie wolle das Rad nicht neu erfinden, aber trotzdem eigene Akzente setzen. Im Programm soll es mehr Platz für mutige Produktionen wie Micha Lewinskys Eröffnungsfilm «Moskau Einfach!» geben.
Ausserdem will sie an die vergessenen Filmpionierinnen der Schweiz erinnern. In der Sektion «Histoires du cinéma suisse» zeigt sie die Werke von Patricia Moraz, Christine Pascal und Paule Muret.
Diese Regisseurinnen wurden mit ihren Filmen von renommierten Festivals wie Cannes, Berlin und Locarno eingeladen. Während einer Zeit, in der Frauen kaum vertreten waren.
In Solothurn hat sich das zum Glück verändert: Anders als bei den ganz grossen Festivals beträgt der Frauenanteil hier 50 Prozent – zumindest bei den mittellangen und kurzen Filmen.
Das Mädchen von nebenan
Anita Hugi ist nur zirka 25 Kilometer von Solothurn entfernt, in der Stadt Biel, aufgewachsen. Sie schätzt an ihrem Heimatort, dass es so viele Kinos gibt: Sechs Lichtspielhäuser stehen den 55'000 Einwohnern zur Verfügung. In Biel sei das Kino integraler Teil der Stadtkultur.
Das habe eine sehr wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt, sagt die heutige Festival-Direktorin.
Ins Kino sei sie als neugieriger Mensch oft auch alleine gegangen, fügt sie hinzu. Wenn sie etwas interessiere, müsse sie nicht warten, bis jemand mitkommt.
Darum hat sie als Direktorin keine Sekunde gezögert, um den Serien eine grössere Bühne zu geben. Auf den Solothurner Filmtagen liefen noch nie so viele Mehrteiler wie in diesem Jahr. Auch in prominent besetzten Panels lädt Hugi dazu ein, über horizontales Erzählen nachzudenken.
Volle Kraft voraus!
Anita Hugi steuert ihr Festival-Schiff zielstrebig in Richtung Zukunft. Und wie sieht es um ihre eigene Zukunft als Kapitänin aus?
Für sie habe ein neuer Lebensabschnitt begonnen, sagt Hugi. Mit 19 Jahren sei sie zum Studieren aus dieser Region weggezogen und jetzt komme sie als Festival-Direktorin zurück.
Das finde sie eine tolle Geschichte, fügt Hugi schmunzelnd mit ihren tiefroten Lippen hinzu. Womit die Heimgekehrte optisch unterstreicht, dass sie gerne starke Akzente setzt. Und signalisiert, dass es sich fürs Publikum lohnen dürfte, sich acht Tage lang ins Filmvergnügen zu stürzen.
Sendung: SRF 1, Tagesschau, 22.1.2020, 19:30 Uhr.