SRF: In «Private Banking» übernimmt die Hauptfigur Caroline die Leitung einer Privatbank, nachdem ihr Vater einen Herzinfarkt erlitten hat. Trotz viel männlichem Widerstand macht sie sich ans Aufräumen. Sind Frauen besser darin, verkrustete Strukturen aufzubrechen?
Bettina Oberli: (Überlegt lange.) Das ist eine Charaktereigenschaft. Sieht man Veränderung als eine Herausforderung, der man sich stellt? Oder bereitet sie einem eher Angst? Das hat mit Frau- oder Mann-Sein nichts zu tun.
Caroline, die bis dahin als Entzugshelferin gearbeitet hat, scheint zunächst nicht in diese Bankenwelt zu passen – sie ist zu cool und zu lässig mit ihrer Lederjacke und den Cargohosen. Und doch wird sie sich anpassen. Das wird Sie geschmerzt haben?
Ihre Erscheinung verändert sich: Aus dem Rockergirl wird eine seriöse Bankerin. Was aber wichtiger ist: Die Werte, die sie am Anfang vertritt, sind nicht dieselben wie am Ende des Films.
Damit sie die Liebe und Anerkennung ihres Vaters erhält, zahlt sie einen hohen Preis. Das zeigt uns: Wie so oft ist das System stärker als das Individuum.
In «Private Banking» übernimmt eine Frau das Steuer einer Privatbank, obwohl sie vom Bankenwesen keine Ahnung hat. Ist der freie Blick die beste Voraussetzung, um Erfolg zu haben?
Sie hat eine Kraft, weil sie noch nicht in diesen festen Strukturen gefangen ist. Weil sie die Werkzeuge noch nicht verinnerlicht hat. Weil sie eine andere Perspektive miteinbringt.
Das Bankenbusiness ist noch immer eine Männerdomäne. Brauchen wir die Frauenquote?
Ich bin dafür. Ich bin für Frauen, ganz klar. Als wir für unsere Recherchen mit Bankern gesprochen haben, fiel uns schon auf, dass die Bankenwelt eine sexistische Welt ist.
Wenn man Bankern zuhört, fällt auf, dass sie nie über Geld reden.
Man trifft zwar auf Frauen im Bankensektor. Aber je höher wir in der Hierarchie aufwärts gehen, desto seltener werden sie. Wieso? Aufgrund der bestehenden Codes. Weil das Kinderkriegen ein Hindernis ist. Weil sie schlicht und einfach kaputt gemacht werden.
Soll Ihr Film den Zuschauer dazu bringen, über Sexismus in der Bankenbranche nachzudenken?
Auch. Das Thema «Frauen in Führungspositionen» finde ich ein wichtiges Thema. Mich als Regisseurin hat es interessiert, was passiert, wenn eine Frau in dieses von Männern dominierte Umfeld eingreift.
Welche Rolle spielt das Scheitern?
In der Welt der Privatbanken geht es nicht primär um Konti und Geld. Sondern um die Beziehungsdynamiken, die einzelnen Schicksale, um das Menschliche. Und das Scheitern ist etwas vom Menschlichsten.
Ich habe mir die Frage gestellt: Was macht die momentane Situation, in der sich der Schweizer Finanzplatz befindet mit den einzelnen Menschen, die darin verwickelt sind?
Es gibt Menschen, die ihre Ideale hochhalten können, aber untertauchen müssen. Und es gibt diejenigen, die auf persönlicher Ebene scheitern. Die Figuren in unserem Film stehen repräsentativ für die verschiedenen Schicksale.
Bisher haben sich nur wenige Schweizer Autoren und Regisseure der Bankenkrise angenommen. Warum eigentlich?
Ich kann mir vorstellen, dass einige Autoren und Filmemacher Hemmungen hatten, sich auf diese Materie einzulassen. Andere anderen dachten wohl: «Banking, das ist doch einfach langweilig.»
Der Schweizer Banker ist kein ‹Wolf of Wall Street›, sondern diskret und seriös.
Was hat Sie an der Bankenwelt fasziniert?
Wenn man Bankern zuhört, fällt auf, dass sie nie über Geld reden. Der Schweizer Banker ist kein «Wolf of Wall Street», sondern diskret und seriös.
Es sind aber genau diese alten, biederen Männer im grauen Anzug, die die krassesten Geschäfte abgewickelt haben. Das hat mich fasziniert. Der Blick von aussen nach innen.
Wie hat sich Ihr Verständnis für die ganze Bankenkrise verändert?
Ich hatte vor diesem Projekt kein klares Bild. Mittlerweile weiss ich mehr über dieses System. Wir befinden uns in einer verrückten Situation. Niemand weiss, was jetzt passiert.
Es gibt Leute, die denken, dass die Schweiz untergeht. Mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses wird sich aber womöglich gar nicht viel verändern. Der Bankensektor ist nicht so gross. Die Schweiz hängt nicht davon ab.
Ich bin immer noch kein Experte. Aber jetzt verstehe ich vieles, was ich vorher nicht verstanden habe.
Das Gespräch führte Leslie Leuenberger.