SRF: Sie schreiben Drehbücher, arbeiten aber auch als Headhunter, der Hochqualifizierte vermittelt. In «Private Banking» halten Sie einer Entzugshelferin den Top-Job in einer Bank zu. Ernsthaft?
Thomas Ritter: «Private Banking» ist kein Dokumentarfilm, sondern Fiktion. Ich sehe mich als Autor – und nicht als Bankenexperten. In «Private Banking» findet keine Rekrutierung statt. Es wird niemand mit konkreten Skills gesucht, sondern es besteht ein Nachfolgeproblem.
Dieses Problem hatten viele kleine Vermögensverwaltungen in den letzten Jahren. Wer soll das Geschäft übernehmen und in die Zukunft führen, gerade wenn sich die Rahmenbedingungen so verändern?
In unserem Film erzählen wir die Geschichte eines Patrons, der bewusst seine Tochter als Nachfolgerin einsetzen will. In partnerschaftlich organisierten Strukturen geht das.
Ein Greenhorn an der Spitze eines Unternehmens: Das ist also ein realistisches Szenario?
Ich habe es oft erlebt, dass ein Geschäftsinhaber ein Familienmitglied als Nachfolger reinholt und das Risiko eingeht, dass er das Business an die Wand fährt. Die Eigentümer können holen, wen sie wollen – oft haben sie das grösste Vertrauen in Familienmitglieder.
Wir haben mit Bankern gesprochen, die in Führungspositionen eingesetzt wurden, obwohl sie vorher rein gar nichts mit dem Privatbankengeschäft zu tun hatten. Das kommt übrigens auch in anderen Branchen vor.
Früher Headhunter – jetzt Drehbuchautor. Sie sind ein Quereinsteiger wie die Hauptfigur Caroline. Können Sie sich mit ihr identifizieren?
Das würde ich nicht so sagen. Heutzutage geht man ja entspannter damit um, wenn jemand einen Bruch in der Biographie hat. Vom Headhunter zum Drehbuchautor – das ist nicht so verrückt.
Wenn ich jetzt Fussballer oder Victoria-Secret-Model geworden wäre, wär's wohl etwas schwieriger. Für einen Autor ist es von Vorteil, wenn er vorher schon etwas ganz anderes erlebt hat.
Genau wie die Hauptfigur wissen wohl viele Zuschauer nicht, was «Compliance» ist, «Audit» oder «Asset». Caroline, die den Bankenjargon erst lernen muss, dient also als Identifikationsfigur für das «ahnungslose» Publikum. Was sind die Vor- und Nachteile einer solchen Methode?
Mit Hilfe einer Aussenseiter-Figur kann ich doofe Fragen stellen für all diejenigen, die keine Ahnung haben. Aber mehr noch geht es um diese Arena der kleinen Schweizer Privatbank. Die Bank als Figur sozusagen.
Dabei nehmen wir uns die Freiheit, bestimmte Punkte zuzuspitzen. Die mangelnde Compliance und Aufsicht vieler Banken über die letzten Jahre stellen wir am Beispiel einer einzigen Figur dar. Fiktion darf das.
Der Grossteil des Films spielt in den Räumlichkeiten der Bank. Mit Caroline als Aussenseiterin entdeckt der Zuschauer die Bankenwelt mit ihr zusammen – ganz organisch. Das war die Überlegung dabei.
Und der Nachteil? Vielleicht das Glaubwürdigkeitsproblem, aber das haben wir ja geklärt.
Die Bankenkrise und die vielen Schlagzeilen dazu bieten eigentlich genug Stoff für ein Drehbuch. Warum gibt es nicht mehr Schweizer Filme und Serien zum Thema?
Das habe ich mich oft gefragt. Als ich jedoch Leuten in meinem Umfeld erzählt habe, dass wir einen Film zum Thema Private Banking realisieren, kam als erste Reaktion: «Das ist doch langweilig.»
Die Leute verwechseln Private Banking oft mit Investment Banking. Das Privatbankengeschäft ist ein Beziehungsgeschäft. Vielmehr als um komplexe technische Produkte und um Zahlen geht es um die Beziehungen der Banker zu ihren Kunden. Davon erzählt unser Film.
Das sind nun mal keine jungen, koksenden Typen, die schnelle Autos fahren und ins Puff gehen.
«Banking» klingt schon nicht so sexy, finde ich.
Es geht hier um viel mehr als ums Geschäft. Die Schweizer Bankenwelt und insbesondere das Bankgeheimnis hat viel mit unserem Landesbild zu tun. Diskretion, Sicherheit, Stabilität – das sind Schweizer Werte, die wir jahrelang nach aussen getragen haben. Dieses Wertesystem ist nun zusammengebrochen.
Was machen diese Banker jetzt? Wie gehen sie mit dieser Ungewissheit um? Wie fühlen sie sich? Eine Möglichkeit wird sein, wie bis anhin um die Gesetze herum «weiterzuwursteln» bis es nicht mehr geht.
Was fasziniert Sie an der Welt der Banken?
Die Biederkeit. Das sind nun mal keine jungen, koksenden Typen, die schnelle Autos fahren und ins Puff gehen. Es sind seriöse, biedere Menschen im Anzug, die aber in der Logik dieses Bankensystems abstruse Geschäfte abgewickelt haben. Ein Widerspruch irgendwie.
Ich finde es viel cooler, wenn diese alten biederen Männer solche verrückten Dinge durchgeben als wenn ein Leonardo Di Caprio das tut.
Die Bank im Film hat ganz schön Dreck am Stecken. Und doch fragt man sich: Geht es in der realen Bankenwelt nicht noch dreckiger zu und her?
Ich finde, unsere Konstruktion ist schon recht versaut. Aber es ist natürlich möglich und anzunehmen, dass es noch schlimmer geht. Denken wir an die Panama Papers. Da passieren abstruse Dinge, die innerhalb dieses Systems völlig normal sind. Bis sie eben auffliegen.
Das Gespräch führte Leslie Leuenberger.