Das Kostüm von Captain America ist die US-Flagge. Wächter der Freiheit ist einer seiner Beinamen. Seine Kumpel im Comic nennen ihn schlicht Cap.
Seit 80 Jahren kämpft er auf Comicseiten, in B-Movie-Serials, TV-Filmen, Zeichentrick- und Kinoabenteuern.
Cap war von seiner Geburt an ein politischer Maskenträger. Die amerikanischen Juden Joe Simon und Jack Kirby erfanden ihn, als die Nazis plündernd durch Europa zogen.
Gegen Hitler
Gleich im ersten Abenteuer verprügelte Cap Adolf Hitler. Damit war er seiner Zeit voraus. Als das Heft im Dezember 1940 (Coverdatum März 1941) erschien, waren die USA noch nicht in den Zweiten Weltkrieg eingetreten.
Als die USA nach dem Sieg über Deutschland und Japan in den Kalten Krieg gegen den Kommunismus zog, kämpfte Cap wieder an vorderster Front.
Die Politik seiner Regierung war damals auch seine Politik. Das änderte sich im Laufe der Jahrzehnte.
Caps Comics entwickelten sich zu Kommentaren aktueller Ereignisse, was für ein Massenprodukt, das eigentlich nur viele Leser haben will, erstaunlich ist.
Drei Beispiele.
Erstens: Cap und die Bürgerrechtsbewegung
In der Zeit der Bürgerrechtsbewegung setzten die Autoren von Cap ein Zeichen. Sie gaben ihm Ende der 1960er-Jahre einen afroamerikanischen Partner namens «The Falcon».
Einen farbigen Superhelden im Mainstream hatte es bis dahin nicht gegeben. Aber: So richtig gleichberechtigt waren die beiden anfangs nicht. «The Falcon» war damals ganz klar das schwächere Helferlein von Cap.
Und so fortschrittlich die Wahl des neuen Partners war, die Geschichten waren es nicht immer.
Afroamerikanische Bürgerrechtler (und auch linke Studentengruppen) wurden in den Comics von Alt-Nazis und Gangstern unterwandert. Cap und sein Partner mussten zur Rettung antreten.
Konservative behaupteten damals, dass die Protestierenden von unamerikanischen Kräften verführt waren. Genauso kann man diese absurden Storys deuten.
Solche Zweideutigkeiten sind heute zum Glück Geschichte. Und «The Falcon» ist nicht mehr der kleine Sidekick. Gegen Ende der Präsidentschaft von Barack Obama übernahm er vorrübergehend Caps Kostüm und Titel.
Und die Autoren liessen keine Zweifel, was sie erzählen wollten.
Wie der erste farbige US-Präsident musste sich der erste farbige Captain America anhören, dass er nicht qualifiziert genug für den Job wäre und sich mit Rechten und Rassisten rumschlagen.
Ein halbes Jahr nach Ende der Obama-Adminstration gab «The Falcon» frustiert sein Amt ab, weil er nicht glaubte, als Superpatriot dem Land helfen zu können.
Zweitens: Cap und der Patriot Act
Cap ist ein patriotischer Abenteurer, der sich als Verkörperung des amerikanischen Traumes versteht. Für den die Freiheit des Individuums der höchste Wert ist. Dafür kämpft er. Manchmal bis zum Tod. Auch gegen die Regierung.
2007 geschah in Caps Comic-Universum etwas Einschneidendes. Bei einem Kampf zwischen einem Superschurken und einer Gruppe unerfahrener Helden kam es zu einer Katastrophe, bei der viele Menschen starben.
Washington reagierte, wollte aus Sicherheitsgründen alle Metawesen registrieren und ihre Geheimidentitäten erfahren. Cap sah darin eine Verletzung der bürgerlichen Freiheiten und ging in den Untergrund.
Wieviel Freiheit bin ich bereit für die Sicherheit aufzugeben? Diese Fragen tauchte nicht zufällig in den Comics auf.
Sie wurde in den USA nach 9/11 immer wieder heftig diskutiert, vor allem nachdem die Bush-Administration den Patriot Act durchgesetzt hatte, ein landesweites Überwachungsprogramm, das die Grundrechte einschränkte.
Die Autoren liessen Cap bei seinem Kampf gegen das Registrierungsgesetz sterben.
Dem ungeschriebenen Gesetz des Superheldengenres «Keiner stirbt für immer» folgend, erlebte Cap natürlich bald nach seinem Ableben seine Auferstehung.
Drittens: Cap, Trump und die Angst vor der Diktatur
Etwas überraschendes machten die Autoren mit Cap als Präsident Donald Trump frisch im Amt war und Kritiker wegen dessen Auftritten auf Twitter, seinem Umgang mit der Presse und den nationalen Behörden die Demokratie in Gefahr sahen.
Die Autoren transferierten diese Ängste in die Comics.
Eine überirdische Macht verwandelte Cap in einen faschistischen Fighter, der die Ideale der USA verriet und eine Diktatur errichtete.
Mittlerweile ist Cap wieder ganz er selbst, muss sich aber das Vertrauen der Bevölkerung wieder erwerben.
Ta-Nehisi Coates
Geschrieben werden Caps Geschichten zurzeit von Ta-Nehisi Coates, einem der grossen afroamerikanischen Intellektuellen der USA, der die Figur nutzt, um die aktuelle politische Zerissenheit im Land zu analysieren.
Sicher ist: Wie immer die USA sich in Zukunft verändern wird, Cap ist bereit.