Geschlüpft ist die menschliche Spinne 1962 aus der Feder des Marvel-Chefautors Stan Lee. Er wollte einen Superhelden erschaffen, mit dem sich die junge Leserschaft anfangs der 1960er-Jahre identifizieren konnte.
Lee porträtierte Spider-Man als den unbeliebten Streber Peter Parker. Der geht aufs College, wohnt bei Onkel und Tante. Dass nun ausgerechnet dieser Eierkopf von einer radioaktiven Spinne gebissen wird und zu einem superstarken, menschlichen Wandkrabbler mutiert, hat schon komödiantische Züge.
Start auf dem Abstellgleis
Martin Goodman, Boss des Verlags Marvel, war skeptisch. Er bezweifelte, dass die Leute einen Verlierer-Typen wie Peter Parker mögen würden.
Stan Lee rang seinem Chef schliesslich die Erlaubnis ab, Spider-Man in der «Amazing Fantasy»-Reihe bringen zu dürfen. Die Comic-Serie sollte nach diesem letzten Heft eingestellt werden.
Später sagte Lee: «Wenn wir zu dieser Zeit kein Format auf dem Abstellgleis gehabt hätten, würde Spider-Man heute wohl nicht existieren.»
Überraschungserfolg
Ein paar Monate später klopfte ein geschockter Goodman an Stan Lees Bürotür: Er hatte die Verkaufszahlen des letzten Quartals studiert und festgestellt, dass «Amazing Fantasy #15», die Spider-Man-Ausgabe, schon nach wenigen Wochen zu den meistverkauften Ausgaben aller Zeiten gehörte.
Lee wurde beauftragt, eine eigene Serie zu entwickeln. «The Amazing Spiderman #1» erschien im März 1963 und begeisterte vom ersten Heft an.
Ein Netz aus Schwierigkeiten
Zusammen mit dem Zeichner Steven Ditko schuf Lee in den nächsten Jahren einen komplexen Charakter: Neben den Gefahren eines Superheldendaseins und den Alltagsproblemen eines Teenagers hat Peter Parker zusätzlich noch eine herzkranke Tante, ein kompliziertes Liebesleben und Geldnöte.
Ausserdem trägt er einen schweren Schuldkomplex mit sich herum, weil er glaubt, für den Tod seines Onkels Ben verantwortlich zu sein. Und wenn das alles nicht genug wäre, sehen Presse und Polizei in Spider-Man auch noch eine Bedrohung.
Alles ist erlaubt
Der Hype um den Spinnenmann ist bis heute ungebrochen. Wie schafft es Marvel, mit Spider-Man immer noch zu begeistern? Das Zauberwort heisst «Story-Reset».
Die Kreativen bei Marvel sind Meister darin, Geschichten oder Charaktere, die in einer Sackgasse angelangt sind oder mangelnde Umsätze verzeichnen, neu zu erfinden. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht: Zeitreisen oder parallele Realitäten sind Alltag im Comicuniversum.
Pakt mit dem Teufel
Auch Spider-Man gehört zu diesen Endloserzählungen mit Spin-offs und Paralleluniversen mit zig verschiedenen Spinnenmännern.
Peter Parker schloss einmal sogar einen Pakt mit Mephisto, dem Marvel-Äquivalent Satans, um die Zeit zurückzudrehen und Spider-Mans Universum faktisch auf den Stand von 1987 zurückzusetzen.
Relaunch des Relaunches
Auch im Kino entwickelt sich «Spidey» zu einer unendlichen Geschichte: Nachdem 2010 die Verhandlungen mit Tobey Maguire zu «Spiderman 4» scheiterten, beschloss man, die gesamte Geschichte einfach mit neuer Besetzung noch einmal zu bringen.
Als «The Amazing Spiderman» mit Andrew Garfield hinter den finanziellen Erwartungen zurückblieb, entschied sich Marvel 2016 zum Relaunch des Relaunches für Tom Holland als bisher jüngste Spider-Man-Interpretation.
Peter Parker ist also auch nach 55 Dienstjahren noch lange nicht reif für die Rente. Im Gegenteil: Spider-Man bleibt auch heute noch die umsatzstärkste Marvel-Figur.