Seit «Titanic» sind über 25 Jahre vergangen. 15 Jahre sind es her, seit Kate Winslet für ihre Rolle in der Literaturverfilmung «The Reader» einen Oscar gewann. Seither verläuft ihre Karriere auf einem hohen Niveau: Urgesteine wie Roman Polanski und Woody Allen bewarben sich um sie, und Auftritte in Blockbustern («Divergent», «Avatar») wechselt sie ab mit persönlicheren Projekten.
Auch in die Welt der Streaming-Serien ist Kate Winslet erfolgreich eingestiegen: In der Krimi-Serie «Mare of Easttown» überzeugte sie als eine angeschlagene Polizistin, während sie ganz andere Register zog in der schwarzhumorigen Politsatire « The Regime », wo sie als Kanzlerin eines fiktiven zentraleuropäischen Staates ihre komische Ader aufblitzen liess.
Beide Serien liefen bei HBO, und bei beiden war Winslet als ihre eigene Produzentin tätig.
«Lee»: Winslets Herzensprojekt
Ans Zurich Film Festival kommt Winslet nun wieder mit einem Spielfilm: «Lee» ist die aufwändige Filmbiografie der US-amerikanischen Surrealistin, Kriegsfotografin und Fotomodell Lee Miller (1907 bis 1977). Winslet selbst hat dieses Projekt aufgezogen, sie hat die Regisseurin Ellen Kuras dafür engagiert und aktiv an der Besetzung der Nebenrollen mitgewirkt.
Für Winslet ist «Lee» eine weitere Gelegenheit, einen Kraftakt hinzulegen: Sie spielt Lee in sehr jungen wie in sehr alten Jahren. Ihre Figur raucht, trinkt, zeigt sich nackt, spricht französisch, schlägt sich durch in einer Männerwelt und zieht während des Zweiten Weltkriegs auf eigene Faust in Gebiete, wo sie dem Grauen unerschrocken – aber doch angeekelt – ins Gesicht blickt.
Kein perfekter Film
«Lee» hat als Spielfilm ein paar grundsätzliche Probleme, wobei sich eines gesamthaft durch die Kriegsszenen zieht: Die Hauptfigur wird programmatisch zur feministischen Heldin emporstilisiert, und ihre Verfassung nimmt in der Erzählung unverhältnismässig mehr Platz ein als das Schicksal der herumeilenden Krankenschwestern und der sterbenden Soldaten.
«Lee» ist Kate Winslets Film. Sie spielt ihre Rolle resolut und wandelbar, sie sprüht vor Energie in den Jugendjahren, sie beisst die Zähne zusammen auf den Kriegsschauplätzen und seufzt im hohen Alter, sichtlich desillusioniert. Das ist grob ausgedrückt eine All-Inclusive-Performance, die mehr über Kate Winslets Verständnis von Schauspiel aussagt als über die Figur, die sie da spielt.
Einen Preis auf sicher
Ob Kate Winslet sich von diesem mutigen Projekt eine weitere Oscar-Nominierung verspricht, sei dahingestellt – es wäre zumindest nicht unüblich, dass die Academy eine derart expressive Leistung zu schätzen weiss. Denn unabhängig davon, ob «Lee» dieser Fotojournalistin gerecht wird, die er porträtiert – was Winslet aus sich herausholt, ist beeindruckend.
Beindruckt gezeigt hat sich auch das ZFF – traditionell ein Anlass, der seine Selektion an Stars ausrichtet, die sich für die Oscars im nächsten März positionieren. Den «Golden Icon Award» in Zürich am 7. Oktober hat Winslet daher auf sicher – wohlverstanden nicht für diese Rolle, sondern für ihr bisheriges und künftiges Lebenswerk – als Schauspielerin und Geschäftsfrau.
Kinostart am 17. Oktober.