Vor einigen Jahren wurde Werner Herzog angefragt, ob er zur Kunstbiennale in Venedig einen Beitrag beisteuern möchte. Herzog lehnte ab, weil ihm der Kunstbetrieb zuwider ist. Ob er denn nicht als Künstler Interesse habe, lautete die Nachfrage. Er sei kein Künstler, erwiderte Herzog, er sei Soldat.
Das war kein Scherz. In Herzogs Memoiren, die anlässlich seines 80. Geburtstags am 5. September erschienen sind, bezeichnet er sich immer wieder als Soldaten. Und ja: Wie ein Soldat hat sich Herzog bei fast jedem seiner Filme in Gefahr begeben und diese tapfer ausgestanden.
Mit der Tapferkeit eines Soldaten
Herzog berichtet von mexikanischen Rodeos, von Vulkanausbrüchen und halsbrecherischen Gebirgstouren. Oft ist er dem Tod von der Schippe gesprungen.
Er sei sich in seiner Jugend sicher gewesen, dass er sein 18. Lebensjahr nicht erreichen werde, schreibt Herzog. Dass er heute immer noch lebt, verdankt er seiner Ansicht nach soldatischen Tugenden: Pflicht, Loyalität, Courage.
Die Begeisterung für Befehlstreue und Durchhaltewillen irritiert. Schliesslich hat Herzog als Kind die Folgen des Krieges miterlebt. Er beschreibt eine archaische, ärmliche Kindheit im ländlichen Oberbayern. Mit seinen Brüdern sei er barfuss in die Berge, habe mit blosser Hand Forellen aus dem Bach gefangen.
Dennoch beschreibt Herzog eine glückliche Kindheit. Er erinnert sich an ländliche Idylle in einer magischen Bergwelt. Hier begann das Staunen über die Welt und die Menschen, das Herzog als Dokumentarfilmer antreibt.
Die geklaute Kamera
Dass Werner Herzog Filmemacher werden würde, war nicht abzusehen. Die erste Filmvorführung, der er als Kind beiwohnte, hat keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Auch später hatte er keine grosse Begeisterung für das Kino.
Zum Film kam er über die Stoffe, die schicksalshaft zu ihm fanden, und als Autodidakt. Alles, was er über das Filmemachen wisse, habe er aus einem Lexikon, so Herzog. Mehr brauche es auch nicht.
Dass Herzog seine erste Filmkamera gestohlen hat, ist eine oft erzählte Legende, die er im Buch bestätigt. Es gibt unzählige solch legendärer Geschichten über Herzog, sie alle kommen in diesem Buch vor – die Memoiren sind auch Herzogs «Greatest Hits».
So kommen auch die Dreharbeiten mit Klaus Kinski im Amazonas ausführlich vor, obwohl Herzog diese bereits im Tagebuch «Die Eroberung des Nutzlosen» und dem Dokumentarfilm «Mein liebster Feind» abgehandelt hat.
Der Schrecken im Amazonas
Die Dreharbeiten zu Herzogs Schlüsselwerken «Aguirre» und «Fitzcarraldo» sind aber auch derart abenteuerlich, dass sie in diesem Buch vorkommen müssen: Flugzeugabstürze, Schlangenbisse, Angriffe mit Speeren.
Herzog erzählt diese Geschichten in seiner unnachahmlichen Weise – mit grosser Ernsthaftigkeit und einem Auge für Details, in denen sich das ganz Grosse zeigt. Bei Herzog geht es immer mindestens um Wahrheit, Wahnsinn, Schicksal oder den Tod.
Aus den bereits erzählten Geschichten über Unfälle und Unglücke gewinnt Herzog leider wenig neue Erkenntnis. Seine Beziehung zu Kinski, den er im Buch meist nur den «Wüterich» nennt, überdenkt er zum Beispiel nicht.
Dafür ist Herzog nie um eine kernige Aussage verlegen («Ich halte das 20. Jahrhundert in seiner Gesamtheit für einen Fehler.»). Und man staunt als Leser gerne mit Herzog über die Welt und die Schaffenskraft des Menschen.