Es ist ihre 17. Nomination für einen Oscar, als Meryl Streep 2012 leicht verschämt ans Mikrofon tritt und schelmisch meint: «Als sie meinen Namen aufriefen, hatte ich das Gefühl, ich könnte halb Amerika hören, wie es aufstöhnt: ‹Oh, nein. Schon wieder die?›.» Womit sie den ganzen Saal zum Jubeln bringt und einmal mehr klarmacht: Der sagenhafte Erfolg in Hollywood ist ihr nie zu Kopf gestiegen.
Auf Anhieb in Spitzenproduktionen
Meryl Streeps Karriere beginnt mit einer Nebenrolle im Weltkriegsdrama «Julia» (1977) mit Jane Fonda in der Hauptrolle. Sie kann von den Besten lernen: Der Film (Regie: Richard Roth) wird zehnmal für einen Oscar nominiert und dreimal ausgezeichnet.
Meryl Streep hat gut aufgepasst. Nur zwei Jahre später gewinnt sich die damals 30-Jährige den Oscar selbst zum ersten Mal: als Joanna Kramer im Scheidungsdrama «Kramer vs. Kramer» (1979). Eine Mutter, die ihre Familie verlässt, es bereut und vor Gericht um das Sorgerecht des Kindes kämpft.
Die «Queen of Accents»
In Hollywood gilt Meryl Streep als «Queen of Accents». Sie wechselt mühelos vom US-Slang ins distinguierte britische Englisch oder – wie im Holocaust-Drama «Sophie’s Choice» (1982) – ins Englische und Deutsche mit polnischem Einschlag.
In diesem schwer verdaulichen Film gerät sie als polnische Katholikin Sophie im KZ Auschwitz in die Fänge eines sadistischen SS-Offiziers, der von ihr verlangt, sich für eines ihrer beiden Kinder zu entscheiden. Das andere schickt er in die Gaskammer.
Meryl Streep gewinnt mit der Darstellung der gemarterten Mutter nicht nur ihren zweiten Oscar, sondern auch die beiden anderen, wichtigsten Auszeichnungen der Filmbranche: den Golden Globe und den britischen BAFTA-Award.
Status: Unantastbar
Seither gilt Meryl Streep als so etwas wie «die Heilige von Hollywood»: während andere Filmstars von der Filmkritiker-Gilde wechselweise auf den Gipfel des Erfolgs geschrieben und von dort genüsslich wieder herunterredigiert werden, bleibt Streep unantastbar.
Und dies nicht, weil sie einfach geniesst und schweigt. Meryl Streep nutzt ihre Popularität durchaus für politische Zwecke, wenn es sein muss.
Grosse Beachtung findet eine Rede von ihr im Jahr 2017, kurz nach der Amtseinführung Donald Trumps als US-Präsident. Bei der Golden-Globe-Verleihung für ihr Lebenswerk hält sie eine Ansprache, die fraglos gegen den Präsidenten gemünzt ist.
Alleinige Rekordhalterin
«Wenn die Mächtigen ihre Position ausnützen, um andere zu tyrannisieren, dann verlieren wir alle», meint sie mit Blick auf die verächtlichen Gesten von Trump, mit denen er einen körperlich Behinderten öffentlich nachgeäfft hatte. «Respektlosigkeit lädt zu Respektlosigkeit ein, Gewalt animiert zu Gewalt», fährt Streep in weiser Voraussicht fort.
Inzwischen kann Meryl Streep 21 Oscar-Nominationen vorweisen – ein Rekord in der Schauspiel-Branche. Den dritten Oscar erhält sie 2012 für die Hauptrolle in «The Iron Lady» als britische Premierministerin Margaret Thatcher.
Von den Hollywood-Studios zieht sie sich allerdings langsam zurück. Nicht, um zur Ruhe zu kommen: Sie ist gerade mit Streaming-Projekten beschäftigt.