Am Tag des Kriegsendes in Europa, dem 8. Mai 1945, zogen in Davos gemäss einem Zeitungsbericht mehrere Hundert Menschen vor das deutsche Konsulat.
Sie verlangten, dass das Schild mit dem Hakenkreuz abmontiert werde. Zudem ertönte schon bald die Forderung, dass der Kurort von Nationalsozialisten zu «säubern» sei.
Nazi-Hochburg in den Schweizer Bergen
Davos hatte sich ab 1933 zur Hochburg der Nationalsozialisten in der Schweiz entwickelt. Der Grund liegt in der Geschichte des Kurorts: Das Höhenklima lockte zahlreiche Deutsche an, die an Lungentuberkulose erkrankt waren.
Viele blieben in Davos und wurden nach 1933 Mitglied der Nationalsozialistischen Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP).
Dies führte zu Spannungen. Der 89-jährige Davoser Otto Farrèr erinnert sich: «Es hatte viele Nazis auf der Strasse. Die haben sich sehr arrogant verhalten. Ausgewichen auf dem Trottoir sind dann wir.»
«Heil Hitler» im Sanatorium
Verschiedenen Sanatorien wurden nach 1933 von Nationalsozialisten geführt, darunter die «Deutsche Heilstätte Wolfgang» und das «Deutsche Kriegerkurhaus». Auch im Sanatorium «Bernina» wurde 1942 nur mit «Heil Hitler» gegrüsst, wie sich eine Schweizer Laborgehilfin erinnerte.
Die Mittelschule «Fridericianum», die von Deutschen gegründet und geführt wurde, verschrieb sich ebenfalls der NS-Ideologie. An festlichen Anlässen wehte die Hakenkreuz-Fahne auf dem Dach. Viele der Schüler schlossen sich NS-Jugendorganisationen an.
Wilhelm Gustloff, der Wegbereiter
Diese Entwicklung stark geprägt hat Wilhelm Gustloff. Er war 1917 wegen seines Lungenleidens nach Davos gezogen. 1931 wurde er zum Landesgruppenleiter der NSDAP in der Schweiz ernannt.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 brachte er in Davos immer mehr seiner Landsleute auf die Linie der NSDAP. Gustloff wurde 1936 in seiner Wohnung in Davos vom jüdischen Studenten David Frankfurter erschossen.
Auch nach der Ermordung Gustloffs blieben die Nationalsozialisten in Davos eine ernst zu nehmende Macht. Zwar lehnte eine Mehrheit der Dorfbewohner die NS-Ideologie ab. Doch gab es auch nazifreundliche Davoser und solche, die während der Krisenjahre nicht auf die Einnahmen durch die deutsche Klientel verzichten wollten.
Bedroht von Nationalsozialisten
Einer, der gegen die Nazis in Davos ankämpfte, war der jüdische Anwalt und SP-Politiker Moses Silberroth. Immer wieder wies er auf das Treiben der Nationalsozialisten hin.
Er sei deshalb bedroht worden, erinnert sich seine Tochter Dinah Fischer. Sie selbst sei behütet aufgewachsen, sagt die heute 84-Jährige. In den Kriegsjahren sei sie kaum mit Antisemitismus konfrontiert worden, ausser beim Einkaufen: «In Geschäften von Deutschen und von Davosern, die nazifreundlich waren, durften wir nicht einkaufen.»
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schritten die Schweizer Behörden in den deutschen Häusern in Davos ein. Einige Nationalsozialisten mussten Davos verlassen. Viele im Kur- und Sportort wollten das dunkle Kapitel möglichst rasch hinter sich lassen.