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Drei junge Frauen auf einem Boot
Legende: Auch die DDR war 1968 jung und frech – zumindest im Film: Szene aus der Musicalkomödie «Heisser Sommer». DEFA-Stiftung/Detlef Hertelt, Herbert Kroiss

1968 in der DDR Der heisse Sommer endete in Tränen

1968: Im Westen herrschte Aufruhr. Wie aber war das in der DDR, auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs?

«1968 war in der DDR ganz anders als im Westen. Man könnte sagen, es handelt sich um zwei verschiedene Erzählungen zu jenem Jahr», sagt Robert Grünbaum von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin.

Robert Grünbaum

Politikwissenschaftler

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Dr. Robert Grünbaum, geb. 1967, leitet den Arbeitsbereich Gesellschaftliche Aufarbeitung, Publikationen und ausserschulische Bildungsarbeit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und ist stellvertretender Geschäftsführer.

Alles beginnt mit dem Bau der Mauer 1961. Fortan leben zwei deutsche Staaten Rücken an Rücken, die sich aber nicht ganz aus den Augen verlieren: Im Westen schielte man gerne nach «drüben», um sich überlegen zu fühlen, im Osten dagegen ist man regelrecht fixiert auf den Westen, meint Robert Grünbaum:

«Die Menschen in der DDR waren in ihrem Denken und Fühlen immer auf den Westen ausgerichtet. In den 1950er-Jahren konnte man noch aus eigenem Erleben vom Westen berichten. Nach der Mauer gab’s immer noch Radio und Fernsehen. Da merkte man, dass die Lebensverhältnisse doch gravierend unterschiedlich waren.»

Bus mit Lautsprechern auf dem Dach steht neben Berliner Mauer
Legende: Der Westen strahlte auch nach dem Mauerbau in den Osten aus – hier das «Studio am Stacheldraht», 1965. Getty Images/ullstein bild

Angst und Freude mischten sich

Im Westen war das Leben bunter. Man hatte Freiheiten – sogar die zu protestieren. Genau das tat die westliche Jugend 1968, was im Osten genau beobachtet wurde.

Proteste waren ohne persönliche Konsequenzen undenkbar.

Je nach Bevölkerungsgruppe nahm man die Proteste unterschiedlich wahr. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschland (SED) freute sich anfangs, sagt Grünbaum: «Man sah in den Jugendlichen, die gegen den Vietnamkrieg protestieren, Verbündete im Krieg gegen den weltweiten Imperialismus. Aber man hatte auch Angst, die Revolte könnte in die DDR überschwappen.»

Audio
«1968 love love love»: Freiheit & Aufbruch
aus HörPunkt vom 20.04.2018. Bild: SRF / Simon Krebs
abspielen. Laufzeit 20 Minuten 38 Sekunden.

«Man wünschte sich Reformen, keine Revolution»

Die breite Bevölkerung dagegen wunderte sich, sagt Robert Grünbaum. «Die Menschen in der DDR hatten für die Wünsche der protestierenden Jugendlichen nach einer sozialistischen Revolution kein Verständnis. Man wünschte sich Reformen der bestehenden sozialistischen Verhältnisse, keine Revolution. Drum hatte man fast Mitleid mit den jungen Leuten, die mit Mao-Plakaten über den Ku’damm liefen.»

Man diffamierte langhaarige Jugendliche als Gammler und bezeichnete Rockbands als Agenten des Klassenfeindes.

Jugendliche in der DDR wiederum hatten Bedürfnisse, die jenen ihrer westlichen Cousins entsprachen: «Man wollte jung sein, tanzen und Musik hören. Man war gegen geistige Enge und Gängelei der Gesellschaft – also ähnlich wie im Westen. Nur war die DDR eben eine Diktatur. Protest war ohne persönliche Konsequenzen undenkbar.»

Tanzende Jugendliche im Wald
Legende: Jugendliche in der DDR hatten die gleichen Bedürfnisse wie jene im Westen: jung sein, frei sein. Hier das internationale Zeltlager an der Ostseeküste im Juli 1968. ddrbildarchiv.de/Burkhard Lange

Die SED spielte ständig mit den Zügeln: Man musste den Bürgerinnen und Bürgern etwas bieten, gleichzeitig war man besorgt, das System zu gefährden. So gab es Momente der Liberalisierung, man hörte etwa die Beatles im Ost-Radio. Gleichzeitig diffamierte man langhaarige Jugendliche als Gammler, bezeichnete Rockbands als Agenten des Klassenfeindes oder belegte sie mit Auftrittsverboten.

Ein Film als Illusion

Wie sich die SED das Bild des Lebens in der DDR wünschte, zeigt der Film «Heisser Sommer» von 1968. Man sieht selbstbewusste, modische Menschen, es wird gesungen, getanzt, geliebt, mit den Schlagerstars Chris Doerk und Frank Schöbel in den Hauptrollen. Dass der Film in der DDR spielt, merkt man höchstens an den Autos.

Junge Frau und junger Mann liegen nebeneinander im Gras
Legende: Die musikalische Komödie «Heisser Sommer» zeigte 1968 ein Idealbild der DDR. Der Film war einer der erfolgreichsten des Landes. DEFA-Stiftung/Detlef Hertelt, Herbert Kroiss

Robert Grünbaum: «Dieser Film zeigte das Lebensgefühl einer Generation, ohne politisch zu sein. Seine Ideologie ist die Abwesenheit einer Ideologie. Darum der riesige Erfolg: Es war grossartige Unterhaltung, der Film war professionell auf internationalem Niveau. Die Botschaft war: Schaut her, wir können das auch!»

Hoffnung auf Öffnung zerschlägt sich

In der Realität sah der «heisse Sommer» anders aus. Zwar war in der Tschechoslowakei mit dem Prager Frühling eine Zeit der Öffnung angebrochen. Plötzlich durfte man offen und frei reden. Auch das wurde in der DDR genau beobachtet.

Panzer in einer Menschenmenge, darauf sitzen Soldaten
Legende: Der Prager Frühling liess auch die Menschen in der DDR auf Liberalisierung hoffen – doch der Einmarsch der Sowjet-Truppen im August 1968 setzte dieser Hoffnung ein jähes Ende. imago/CTK Photo

Doch als im August Sowjet-Truppen in die Tschechoslowakei einmarschierten, wurden die Hoffnungen der Menschen in der DDR auf einen Sozialismus mit menschlicherem Antlitz zerschlagen. Wer protestierte, wurde bestraft.

Etwa Toni Krahl, der spätere Sänger der Rockband City. Er wurde 19-jährig wegen Protestaktionen zu drei Jahren Haft verurteilt. Sein Vater, der Abteilungsleiter bei der sozialistischen Tageszeitung «Neues Deutschland» war, wurde ins Archiv versetzt. Das Jahr 1968 endete in der repressiven Realität der DDR.

Veranstaltungshinweis: «Das doppelte 1968»

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Die Veranstaltungsreihe «Das doppelte 1968» der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin nimmt 50 Jahre später den vielschichtigen gesellschaftlichen Wandel der 1960er-Jahre in West und Ost in den Blick, der vor allem durch das Jahr 1968 geprägt wurde. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Aufbegehrens in Politik, Gesellschaft, Alltag und Kultur anhand ausgewählter Themenschwerpunkte behandelt.

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