1522 wird Adriaan Floriszoon Boeyens unerwartet zum Papst gewählt. Er hält seine Wahl für einen Irrtum, lässt sich acht Monate lang nicht sehen. Als Papst Hadrian VI. beginnt er dann, im korrupten Vatikan aufzuräumen. Das missfällt dem Klerus in Rom, und so stirbt Hadrian im September 1523 mit 63 Jahren unter mysteriösen Umständen.
Die Mär vom vergifteten Papst
Ein vergifteter Papst? Volker Reinhardt, Historiker und Experte fürs Papsttum, interveniert: «Vergiftet wurde er bestimmt nicht, solche Gerüchte kommen oft auf. Wenn man in Rom im September stirbt, dann oft an Malaria. Aber die Römer konnten seinen Tod wirklich kaum erwarten.»
Brisant ist die Geschichte allemal. Denn heute wird gemunkelt, Papst Franziskus hätte sich beinahe nach der Hauptfigur dieser Geschichte benannt: Hadrian, dem Mann aus Utrecht.
Allerdings wäre dies eine harte Kampfansage an die Kurie gewesen. Reinhardt ist sich sicher: Den Brachialreformdrang von Hadrian VI. kann sich kein Papst mehr leisten. «Das Auftreten Hadrians war verstörend für die Römer. Er galt als wild reinschlagender Nordländer ohne Sinn für die Feinheiten des Papstamtes.»
Grund für Reformen und Protest gab es allerdings zuhauf, und Hadrian war auch nicht der Einzige, der dies erkannte. Der Reformator Martin Luther etwa amtete zur selben Zeit und wurde ein Jahr vor Hadrians Amtseinsetzung exkommuniziert.
Im weltlichen Sumpf
Im Grunde waren sich Luther und Hadrian einig: Die Kirche habe ihren Auftrag verfehlt, sich den weltlichen Genüssen zugeschrieben, statt das Martyrium auf sich zu nehmen. Kurzum: «Das Papstamt ist zu einem Fürstenhof geworden», so Reinhardt.
Was Hadrian nach seiner Ankunft in Rom vorfand, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen: Kardinäle lebten im Konkubinat, man bereicherte sich hemmungslos durch das Amt, vom Nepotismus der Päpste vor und nach Hadrian ganz zu schweigen.
Hadrian schert alle über einen Kamm und macht sich damit viele Feinde.
Deshalb schickte Hadrian sich an, die verschwenderische und korrupte Hofkultur im Vatikan zu beenden. Er war überzeugt: «Die Krankheit der Kirche hat ihren Ursprung im Vatikan.» Deshalb muss auch dort die Heilung beginnen.
Dabei übersah er allerdings, dass es auch im Vatikan einen Reformflügel gab und nicht alle der Dekadenz verfallen waren. «Es gibt im Schoss der katholischen Kirche seit 1500 eine Bewegung, die die Kirche von Innen verändern möchte, das sieht Hadrian nicht. Er schert alle über einen Kamm und macht sich damit viele Feinde», resümiert Reinhardt.
Sein Pontifikat währt aber kaum anderthalb Jahre. Die anfängliche Erleichterung nach Hadrians Tod hält allerdings nicht lange an. Sein Nachfolger Giulio de’ Medici als Clemens VII. verursacht die grosse Plünderung von Rom durch Truppen Kaiser Karls V. 1527, die als «Sacco di Roma» in die Geschichte einging.
Von Hadrian lernen?
Kann man heute, in einer Zeit, in der förmlich nach Strukturreformen geschrien wird, etwas von Reformpapst Hadrian VI. lernen? «Eher nicht», meint Reinhardt, «kirchenpolitisch hielt er an der absoluten Entscheidungsvollmacht des Papstes fest.» Für eine verstärkte Mitbestimmung aus der Basis oder die Abschaffung des Zentralismus hätte er also keine Ohren gehabt.
Hadrian sei ein ehrenhafter Mann gewesen, der viele Zustände missbilligte, die man auch heute missbilligt, aber er wollte die Zeit zurückschrauben: zurück zu einer besseren, alten Kirche. Und das funktioniere selten.