Entwickler der nächsten KI-Generation sollen ihre Arbeit mindestens sechs Monate einstellen. Das fordern Elon Musk, Yuval Noah Harari und über tausend andere in einem offenen Brief. Ein KI-Moratorium? Unsinn, findet der KI-Experte Patrick Glauner.
SRF: Ein sechsmonatiges Moratorium, ist das mehr als eine schöne Idee?
Patrick Glauner: Mich hat diese Forderung sehr überrascht. Denn die grossen Probleme der KI, die in diesem Brief propagiert werden, die gibt es meiner Meinung nach nicht. Natürlich gibt es Probleme durch KI. Die Vorteile überwiegen aber.
Das grosse Problem ist vor allem die Angst, die in der Gesellschaft und in der Politik da ist.
Das Beste, was wir tun können, ist bessere Bildung: uns weiter qualifizieren und noch besser werden. Da hilft ein Moratorium meiner Meinung nach nicht.
Welches sind Ihrer Ansicht nach die Hauptprobleme der KI?
Das grosse Problem ist vor allem die Angst, die in der Gesellschaft und in der Politik da ist. KI ist aber erst mal etwas sehr Positives, mit der wir jeden Tag hundertfach zu tun haben. Unser Wohlstand steigt, unsere Selbstbestimmtheit steigt. Wir müssen vor allem weg von den Ängsten. Das funktioniert insbesondere durch Bildung.
Die Initianten des offenen Briefs erwähnen Gefahren wie die Entwicklung autonomer Waffen oder die Überflutung der Informationskanäle mit Unwahrheiten. Sehen Sie da keine rote Zone?
Das sind Dinge, die teilweise schon verboten sind, unabhängig von der KI. Die Gefahr rund um autonome Waffen ist meiner Meinung nach mehr eine Illusion. Wenn sie in Europa mit Führungen von Militärs sprechen, sagen diese auch, sie wollen keine autonomen Waffen. Weil die Generäle und die Minister abschliessend entscheiden wollen, wer abdrückt.
Wenn Sie sich viele KI-Anwendungen anschauen, dann ersetzen diese allein keinen Menschen.
Die KI ist unterstützend tätig, was am Ende auch dazu führt, dass Dinge schneller und besser getan werden können, dass Leben geschützt wird. Aber autonome Waffen sind in Europa eine Illusion.
Die BBC meldet, dass laut Goldman Sachs in den nächsten Jahren weltweit etwa 300 Millionen Jobs durch KI ersetzt werden könnten. Teilen Sie diese Befürchtung?
Seit Beginn der industriellen Revolution verändert sich der Arbeitsmarkt. KI ist einfach die nächste Phase, durch die das geschieht. Diese 300 Millionen Jobs verschwinden aber nicht von heute auf morgen. Jobs ändern sich. Das Beste, was man tun kann, ist, diesen Wandel zu begleiten, aktiv mitzugestalten. Dann geht man als Gewinner hervor.
Wenn Sie sich viele KI-Anwendungen anschauen, dann ersetzen die allein keinen Menschen. Die Gefahr für den Menschen ist eher der Konkurrent, der diese Tools einsetzt. Der macht einen arbeitslos. Das Beste, was man dann tun kann, ist auch diese Tools zu nutzen und somit produktiver zu werden.
Sie haben die Ängste angesprochen, die durch KI ausgelöst werden. Kann man die Geister, die die Techkonzerne gerufen haben, in den Griff bekommen?
KI funktioniert ja wunderbar. Ich würde sagen, 99 Prozent der KI-Anwendungen sind positiv. Natürlich gibt es auch Ausreisser. Da ist aber auch heute schon vieles verboten durch bestehende Gesetze, das muss durchgesetzt werden. Bei den Techkonzernen gibt es natürlich Probleme rund um Datenschutz. Das hat aber erst mal mit KI nichts zu tun.
Sie würden also diesen offenen Brief als pessimistisch beurteilen?
Ja, er ist pessimistisch. Er ist für mich auch schwer einzuschätzen. Musk hat diesen ja auch unterschrieben. Ich weiss jetzt nicht, ob er das auch seinen Firmen anordnet, dass diese sechs Monate keine KI umsetzen. Das bezweifle ich, denn das würde ja deren Wettbewerbsfähigkeit stark reduzieren. Meiner Meinung nach ist das mehr ein PR-Gag.
Das Gespräch führte Raphael Zehnder.