«Wir geniessen es, Cocktails zu mixen, ein Horsd’œuvre zu servieren, ein wenig Stimmungsmusik auf den Plattenspieler zu legen und eine weibliche Bekanntschaft zu einem ruhigen Gespräch über Picasso, Nietzsche, Jazz und Sex einzuladen.»
So stand es im allerersten Playboy, der am 1. Dezember 1953 in den USA erschien.
Gründer Hugh Hefner machte klar: Der «Playboy» steht für einen Typ Mann. Ein idealisierter Konsument: heterosexuell, weiss, aus der Mittelschicht. Ein kultivierter Dandy, ein hedonistischer Junggeselle. Einer, der mehr an Gelegenheitssex interessiert war, als an der Rolle des Familien-Ernährers.
Frauen als Leserinnen? Fehlanzeige. Hefner schrieb 1953 im Editorial: «Wenn Sie Schwester, Ehefrau oder Schwiegermutter sind und uns versehentlich in den Händen halten, geben Sie uns bitte an den Mann in Ihrem Leben weiter.»
Die «Playboy-Persona»
Der «Playboy» war eines der ersten Magazine, das seine gewünschte Leserschaft direkt ansprach. Jahrelang gab es im eigenen Heft eine Werbekampagne namens «Was für ein Typ Mann liest den Playboy?».
Darin wird dieser idealisierte Leser, die «Playboy-Persona», geschaffen – und mit ihr ein ganz bestimmter Lebensstil mit spezifischen Geschmacksvorlieben.
Fantasien in der Vorstadt
Natalie Coulter ist Professorin für Medienwissenschaften und Kommunikation an der York Universität in Kanada. Sie hat untersucht, wie «Playboy» diesen Idealleser inszeniert. «Der ‹Playboy› wollte ein bestimmtes Publikum ansprechen, aber sein tatsächliches Publikum war ein ganz anderes», erklärt die Forscherin.
Es waren hauptsächlich Männer aus der Vorstadt mit Familie. Das Image des idealisierten «Playboy»-Lesers gefiel ihnen. «Stellen Sie sich vor: Der Mann sass in der Garage in seinem Vorstadthaus mit seinen drei Kindern, er blättert im ‹Playboy›. Der vermittelt ihm die Fantasie, in ihm stecke dieser urbane, weltgewandte, sexuell aktive Mann. Einer, der Luxus verdiente.» Das machte neugierig.
Nur im Herzen ein Playboy
Auch Hugh Hefner wusste, dass die «Playboy-Persona» nicht der eigentliche Leser war. In einem Interview von 1955 nannte er den «Playboy» ein «Eskapismus-Magazin». Die meisten Leser waren also keine Playboys – höchstens im Herzen.
Hochglanz statt Schmuddel
Einen wichtigen Zweck zur Schaffung dieses Playboy-Mannes erfüllten die Nacktfotos der Playmates. Sie bekräftigten, dass die Leser Männer mit Geschmack waren.
Der Playboy-Mann genoss die schönen Dinge des Lebens: edlen Wein, gutes Essen und schöne Frauen. Der qualitätsbewusste «Playboy» zeigte Hochglanz-Fotos, Hefner wollte nicht in die Schmuddelecke gesteckt werden.
«Ich lese es wegen der Artikel»
Teil von Hefners Strategie war es, als anspruchsvolles Magazin für weisse Mittelschicht-Heteros zu gelten. Anfangs schockierte das Heft zwar, aber bereits in den 1970er-Jahren hatte es eine millionenstarke Leserschaft. Der «Playboy» sei kein Sex-Magazin, sondern ein Lifestyle-Magazin, sagte Hefner einst.
Wie gelang das? Im Heft gab es Leserbriefe, Ratgeber, Comics, Fiktion und journalistische Artikel.
An dem wohl grössten Klischee – man lese den «Playboy» der Artikel wegen – sei tatsächlich etwas dran, so Medienwissenschaftlerin Coulter. Einige der besten Autoren – und einige wenige Autorinnen – der Zeit schrieben für den «Playboy».
So etwa Jack Kerouac, Ian Fleming, Ray Bradbury, Haruki Murakami und Margaret Atwood. Es waren aber hauptsächlich die Interviews, die in die Geschichte eingingen: Gespräche mit Miles Davis, Fidel Castro, Jimmy Carter und das letzte Interview mit John Lennon, das zwei Tage vor seinem Tod publiziert wurde.
Frauenbild des Playboy-Mannes
Immer das Zielpublikum im Blick, casteten die «Playboy»-Macher die Playmates fürs Heft. So waren die Frauen meistens weiss, blond, feminin. Das Mädchen von nebenan.
Der «Playboy» vermarktete die Fantasie: Schöne Frauen gibt’s überall. «Sie warten darauf, vom ‹Playboy›-Leser entdeckt zu werden», erklärt Medienwissenschaftlerin Coulter.
Die Sekretärin oder die Kellnerin könnte für dich und dein Begehren da sein, «wenn du nur die Raffinesse und den Charme hättest, um sie für dich zu gewinnen», beschreibt Coulter das Narrativ des «Playboys». Und wo lernt man, die Weinverkäuferin erfolgversprechend zu umwerben? Natürlich: im «Playboy».
In gewisser Weise war es fortschrittlich, dass der ‹Playboy› Frauen als sexuelle Wesen anerkannte.
Bis in die 1970er-Jahre zeigte sich das Heft relativ züchtig. Brüste und Intimbereich waren stets bedeckt. Mit dem Aufkommen der Pornografie und dem Erfolg von Larry Flynts Magazin «Hustler» geriet der «Playboy» unter Druck. Das «Hustler» war – anders als der «Playboy» – nicht Hochglanz, sondern Hardcore. Und prollig. Der Markt wurde umkämpfter.
Frühe feministische Kritik
Der «Playboy» hat sich dagegen gewehrt, Frauen auf eine bestimmte Art und Weise zu zeigen. Dennoch kam die feministische Kritik schon früh. Und sie war scharf.
«Hugh Hefner ist mein Feind», resümiert die radikalfeministische Aktivistin Susan Brownmiller 1970 in der Dick Cavett Talkshow. Das Hauptargument der Frauenbewegung: Frauen seien im «Playboy» dazu da, objektiviert und konsumiert zu werden.
Immer wieder zeigte sich Hefner entrüstet. Der «Playboy» stehe seit jeher für Freiheit, sei ein Teil der sexuellen Revolution gewesen. Hefner positioniert sich als Verfechter der Frauenrechte, befürworte er doch die Legalisierung der Pille und Abtreibung.
Eigeninteresse statt Emanzipation
«In gewisser Weise war es fortschrittlich, dass der ‹Playboy› Frauen als sexuelle Wesen anerkannte», so Natalie Coulter. Aber: Welche Bedeutung hat die weibliche Befreiung, solange sie der sexuellen Verfügbarkeit der «Playboy»-Männer diente?
Eine heftige Prise Eigeninteresse war hier dabei. Immerhin erinnerte der «Playboy» viele Frauen daran, was ihnen an der Art und Weise, wie sie dargestellt wurden, nicht gefiel, und dass sie dazu etwas zu sagen haben könnten.
Mit einer vermeintlichen Offenheit
Über Jahrzehnte hinweg verlor der «Playboy» nie seine Hauptklientel aus den Augen: den zahlungskräftigen, weissen Hetero-Mann. Ihn galt es zu bestärken, dass er seinen angemessenen Platz in der Gesellschaft habe: Feminismus, Anti-Rassismus, Queerness zum Trotz.
Historiker Felix Krämer forscht zu kritischer Männlichkeitsgeschichte. Er sagt: «In den 1970er-Jahren weitet der ‹Playboy› zwar den Blick und nimmt auch andere Identitätsgruppen mit in den Fokus.» So wählt Hefner 1971 Darine Stern als erstes schwarzes Playmate fürs Cover.
Der «Playboy» druckt Interviews mit Bürgerrechtsaktivisten wie Malcolm X und Martin Luther King. Auch mit Boxer Mohammed Ali. «Aber es ist immer klar, dass sie als ‹die Anderen› geframt sind, dass es kein inklusives Unterfangen ist», meint Krämer.
Das Männlichkeitsbild hält sich bis heute
Der weisse, heterosexuelle Mann der Mittelschicht als Hauptopfer aller gesellschaftlichen Verschiebungen. Klingt vertraut? Dieses Narrativ ziehe sich bis heute durch, sagt Krämer, «bis in heutige rechtspopulistische Bewegungen». Bis zu jemandem wie Donald Trump.
Der war selbst auf dem Cover des «Playboys», 1990 mit dem Model Brandi Brandt. Eines der ganz wenigen «Playboy»-Cover mit einem Mann.
Auch wenn es den US-amerikanischen Playboy mittlerweile nur noch als Onlineausgabe gibt: Das Männlichkeitsbild, das Hugh Hefner vor 70 Jahren schuf, prägt uns bis heute.