Die «Mindfulness-Based Stress Reduction» rief der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn vor 36 Jahren ins Leben. Mittlerweile interessieren sich Stars und Wirtschaftselite für die «benefits» dieser Methode. Der Erfolg von «MBSR» ist nicht zuletzt aufgrund der bemerkenswerten Ergebnisse der Neurowissenschaft zurückzuführen. In diesem Gebiet interessiert man sich immer mehr für den positiven Einfluss von Meditation auf das menschliche Gehirn. Aber was ist Achtsamkeit eigentlich – und weshalb die Methode in aller Munde?
Von Lebensdunst zu Lebenskunst
Psychologin und Achtsamkeitslehrerin Yuka Nakamura erklärt: Viele ihrer Kursteilnehmer merken, dass sie an ihre Belastungsgrenzen kommen, sei es durch einen stressigen Beruf, schwierige familiäre Umstände, Krankheiten oder andere schmerzhafte Erfahrungen: «Der subjektiv erlebte Stress ist heutzutage sehr hoch.» Dies könne man auch immer wieder in Studien lesen. Das Achtsamkeitstraining lehre einen anderen Umgang mit solchen Situationen.
Laut Nakamura hilft das Training, aus gewohnten Mustern der Stressreaktionen (Angst, Ärger, Verleugnung etc.) auszusteigen und schwierigen Situationen mit einer anderen inneren Haltung von Gelassenheit und Aufmerksamkeit zu begegnen. Achtsamkeit – darin sind sich die Vertreter der Methode einig – sei eine Form der Lebenskunst. Regelmässig geübt, nehme die Häufigkeit an positiven Gefühlen zu.
Besser mit Gefühlen umgehen
«Achtsamkeit ist eine Qualität der Geistesgegenwart und des ‹In-Kontakt-Seins› mit der jetzigen phänomenalen Erfahrung», sagt Nakamura. In verschiedenen Übungen lerne man, sich nicht in Gedanken zu verlieren, sondern innezuhalten und die Aufmerksamkeit aufs Hier und Jetzt zu lenken. Zudem soll die innere Haltung frei von Verlangen oder Ablehnung sein. Dies ermögliche es, einen anderen, konstruktiveren Umgang mit belastenden Situationen zu finden und das eigene Leben bewusster und selbstverantwortlicher zu gestalten.
Historisch betrachtet ist diese Praxis buddhistisch geprägt. Jon Kabat-Zinn aber war interessiert daran, die vielen positiven Effekte dieser Meditationsform für alle zugänglich zu machen. Deshalb säkularisierte er die Methode. Scheinbar mit Erfolg.
Das Achtsamkeitstraining eignet sich aber nicht nur für Menschen in emotionalen Ausnahmezuständen. Es kann auch Kindern helfen, mit ihren Gefühlen besser umzugehen, Verhalten und Impulse besser steuern zu können. Nakamura: «Schätzungsweise zeigen bis zu 20 Prozent der Kinder klinische Auffälligkeiten in ihrem Verhalten – das ist eine hohe Zahl. Wenn man diesen Kindern durch Achtsamkeit helfen könnte, wäre das sehr wertvoll.»