Pro Hörer ein Baum: Privatradios in Bayern oder Berlin werben mittels Umweltengagement um Hörerinnen und Hörer. Die Idee dahinter: Die Hörerzahl wird über einen Zeitraum gemessen und pro Hörer wird – so das Versprechen – ein Baum gepflanzt.
Ein Umweltengagement, von dem alle profitieren: der Wald und die Privatradios. Denn die Aktion sorgt hoffentlich für steigende Hörerzahlen, die, wenn’s um Werbekunden geht, wiederum Kasse bringen.
Nur neuer Wald nützt
Auch der Wagner-Tenor Andreas Schager bemüht sich um den deutschen Wald. Er sammelt Geld, um einen Wiesbadener Wald mit 20’000 Weisstannen und Eichen aufzuforsten.
«Jeder Baum bindet CO2», sagt Waldforscher Andreas Rigling von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Solche Aktionen hätten schon was für sich. Aber nur wenn neuer Wald geschaffen wird, verbessert das tatsächlich das Klima.
Wird bereits bestehender Wald, der durch Trockenheit oder Sturm beschädigt wurde, aufgeforstet, nützt das hauptsächlich den Waldbesitzern. Denn ein beschädigter Wald muss eh aufgeforstet werden.
Ein Flug, zwei Tonnen CO2
Wer das Klima durch neue Bäume verbessern will, braucht ausserdem einen langen Atem. «Eine zwanzig Meter hohe Buche bindet im Verlauf von 80 Jahren rund eine Tonne Kohlenstoff», schätzt Waldforscher Andreas Rigling.
Auf diese Schätzung kommt noch eine zweite: Wenn Sänger Andreas Schager wie diesen Frühling nach New York fliegt, um an der Metropolitan Opera sein Debüt als Siegfried zu geben, dann kostet das zwei Tonnen CO2.
Um die Reise zu kompensieren, muss Andreas Schager 160 Bäume pflanzen. Denn ein junger Baum kann pro Jahr noch nicht eine Tonne Kohlenstoff binden. 320 Bäume aus Schagers Aufforstungsprojekt bei Wiesbaden gehen also allein für seine New York-Reise retour drauf.
Kompensieren und weniger fliegen
Die Kompensationslogik habe auch ihre guten Seiten, sagt Andreas Rigling vom WSL. «Die Schwierigkeit ist bloss, man verändert dadurch sein Verhalten nicht. Kompensation ja. Aber: Man sollte sich auch bemühen, weniger zu fliegen, weniger Auto zu fahren.»
Das tun derzeit andere Künstlerinnen und Künstler, ganz ohne Aufforstungsprojekte, dafür mit einschneidenden Massnahmen. Die britische Band Coldplay hat eben angekündigt, auf die Tour zum neuen Album zu verzichten. Zu gross sei der Schaden für die Umwelt. Die Band Massive Attack vermisst Alternativen zur Kompensationslogik und unterstützt darum Forschung zum CO2-Fussabdruck einer Tour.
Erste Erkenntnisse: nicht die Plastikbecher für das Bier, nicht die Flüge der Band sind das grösste Problem, sondern die Anreise des Publikums. Ob touren überhaupt nachhaltig geht, ist die grosse Frage.
Bands, die sich solche Fragen stellen, sind definitiv engagierter als jemand, der auf dem Sofa sitzt und Radio hört.