«Hinhören, nicht urteilen, nicht Partei ergreifen» – so lautet das Motto des Weltgebetstages. Weltweit beten am 1. März Hunderttausende Christinnen aus den verschiedensten Konfessionen für Palästina. Oder besser: für die Palästinenserinnen.
Denn am Weltgebetstag stehen stets die Frauen einer bestimmten Region oder eines Landes im Mittelpunkt. Diese erzählen ihre Geschichten und gestalten die Liturgie für den Gottesdienst. Normalerweise sorgt das nicht für Diskussionen. Dieses Jahr ist das anders.
Antiisraelisch und antisemitisch?
Nach dem Überfall der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober wurden Vorwürfe laut: Ein Weltgebetstag nur für die Palästinenserinnen sei einseitig. Das Material, das Kirchgemeinden auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt wird, sei teilweise antisemitisch. Die Künstlerin Alima Haziz, die das Bild für das Poster gestaltet hat, habe sich nicht von der Hamas distanziert und sie verwende ausserdem antisemitische Symbole.
Das Komitee des Weltgebetstages in Deutschland hat sich deshalb entschieden, gewisse Materialien, inklusive des Bildes von Alima Haziz, nicht zu verbreiten und die Texte für die Liturgie abzuändern. In der Schweiz fühlte sich die Evangelische Kirche Schweiz EKS genötigt, eine Handhabung herauszugeben und vor gewissen Ausdrücken zu warnen. Diese Massnahme wurde wiederum als Einmischung kritisiert.
Wie angespannt die Stimmung ist, zeigte sich bereits an einer Veranstaltung, die im Vorfeld des Weltgebetstages stattfand: Sie endete mit einem Polizeieinsatz, weil ein mutmasslich evangelikaler Zuschauer die Pro-Palästinensische Veranstaltung störte. Zum ersten Mal überhaupt musste das Schweizer Komitee mit den 600 teilnehmenden Kirchgemeinden deshalb über Sicherheitskonzepte sprechen.
Zuhören, ohne Partei zu ergreifen?
«So etwa habe ich noch nie erlebt», sagt Vroni Peterhans, Präsidentin des Schweizer Weltgebetstags-Komitees. Trotz der aufgeheizten Stimmung und der Kritik haben die Schweizerinnen entschieden, die Materialien nicht abzuändern.
«Wir wollen den Palästinenserinnen eine Stimme geben.» Eben nach dem Motto: nicht urteilen, nicht Partei ergreifen. Doch geht das angesichts des Krieges? «Ja», findet Vroni Peterhans. «Wir haben als Gesellschaft verlernt, einfach zuzuhören.» Vroni Peterhans betont: «Die Lebensgeschichten der Frauen, die stimmt.»
Beten für Frieden in Nahost
Vroni Peterhans sagt aber auch, dass die Verunsicherung vorab gross gewesen sei. «Wir wollen niemanden ausschliessen.» Sie wollten sicherstellen, dass Antisemitismus keinen Platz an den Veranstaltungen des Weltgebetstages habe. Doch Kritik an der Politik Israels müsse weiter möglich sein.
Nach mehreren Treffen hat das Schweizer Komitee beschlossen, es den Pfarreien und Kirchgemeinden freizustellen, ob sie den Blick auf die Palästinenserinnen fokussieren wollen – oder eher ein Friedensgebet für den gesamten Nahen Osten zu veranstalten. Denn, so Vroni Peterhans, dieses Beten für Frieden sei gerade jetzt nötiger denn je.