Astrophysiker und Pfarrerssohn Andreas Burkert sieht die Menschheit nicht als Krone der Schöpfung. Im Interview erklärt er, warum die Wunder des Kosmos ihn zum Staunen bringen. Und zum Gläubigen werden lassen.
SRF: Andreas Burkert, wo sind wir Menschen eigentlich genau?
Andreas Burkert: Im Kosmos sind wir eine Randerscheinung, was die Erde betrifft. Wir sind Teil einer riesigen Milchstrasse, einer Galaxie mit 200 Milliarden Sonnen.
Es ist erstaunlich, dass man von dieser kleinen Erde aus das ganze Universum studieren und verstehen kann.
Wir befinden uns am Rand dieser Galaxie. Es gibt mehr Planeten, als es Sterne gibt. Umso erstaunlicher ist es, dass man von dieser kleinen Erde aus das ganze Universum studieren und verstehen kann. Es ist also nicht davon abhängig, wo man sitzt und wie klein man ist, um grosse Fragen zu beantworten.
Und am Anfang war der Urknall?
Ja. Aus dem Urknall, der nicht grösser war als ein Punkt, hat sich dieses ganze Universum wie ein Samenkorn entfaltet und ist gross geworden.
Auf der Erde entstand etwas Neues, Leben, und hat angefangen, die Welt zu verstehen.
Man weiss sogar genau wann: auf 10 Prozent genau vor 13.8 Milliarden Jahren. Und in diesem Universum, auf einem kleinen Planeten, entstand dann wieder etwas Neues, Leben, und hat angefangen, die Welt zu verstehen. Obwohl wir klein sind, sind unsere Gedanken nicht an diese Erde gebunden. Im Geist kann ich durch das Universum fliegen. Das ist das Schöne: geistig sind wir frei.
Ist die Frage, was vor dem Urknall war, absurd?
Wenn man davon ausgeht, dass die Zeit mit dem Universum entstanden ist und eine Eigenschaft des Universums ist, dann macht es keinen Sinn zu fragen, was davor war. Dann kann man sagen, es war Ewigkeit. Aber warum die Ewigkeit unterbrochen wird durch die Entstehung von etwas Neuem, das entzieht sich wiederum meinem Verständnis.
Das ist genau das, was Religionen so beschäftigt. Sie scheinen darauf eine Antwort formulieren zu können: Sie nennen es meist so etwas wie Schöpfung oder Gott?
Ich würde Gott nicht klein machen dadurch, dass ich ihn an den Anfang stelle – und dann hat er alles erledigt, überlässt das Universum sich selbst. Das wäre mir zu wenig und zu einfach. Es ist schon interessant, dass man die Frage nach dem Urknall mit der Frage nach dem Sinn verbindet. Und die Sinnfrage ist eine philosophische Frage: Warum ist überhaupt etwas und nicht einfach nichts?
Wie hat sich der Glaube bei Ihnen eingestellt?
Bei mir ist der Glaube durch die Beschäftigung mit diesem Universum entstanden, durch die Erkenntnis, dass wir Teil einer kosmischen Geschichte sind. Mit dem Urknall war das Universum ja noch nicht abgeschlossen. Es war nur dieses Samenkorn. Aber was aus dem Samenkorn wird, was für eine Blume sich daraus entwickelt, das weiss das Samenkorn selbst noch nicht. Man nennt das Emergenz. Es ist etwas, was durch Wechselwirkung entstehen kann. Ich fühle mich als Teil dieses Ganzen. Und zu meiner Forschung gehört der Glaube an etwas Dahinterstehendem.
Sie haben einmal gesagt, dass Gott es nicht nötig hätte, sich hinter Geheimnissen zu verstecken. Wie meinen Sie das?
Es gibt immer diese Idee, dass man Dinge, die man nicht erklären kann, diese Vielfalt der Rätsel, über Wunder erklärt und dann Gott ins Spiel bringt.
Gott wird dadurch grösser, indem man die Schöpfung versteht.
So stelle ich mir Gott nicht vor. Gott wird dadurch grösser, indem man die Schöpfung versteht, dass man erkennt, wie alles wunderbar zusammenhängt. Denn es ist ja auch nicht selbstverständlich, dass solch eine Entwicklung im Universum stattfindet, die bis zu Lebewesen geführt hat, die jetzt sich selbst und das Universum erkennen. Das macht Gott für mich nur noch grösser und faszinierender.
Das Gespräch führte Ahmad Milad Karimi.