Er nannte afrikanische Staaten «Dreckslochländer», seinen eigenen IQ rühmte er als «einen der höchsten». Wer sich kritisch gegen ihn äussert, wird rausgeworfen, beschimpft, verleumdet. Er selbst habe das «absolute Recht, sich zu begnadigen» – obwohl er sowieso nichts Unrechtes getan habe.
Für Marie-France Hirigoyen, französische Psychoanalytikerin, ist Donald Trump das perfekte Beispiel eines «grandiosen Narzissten». Er sei absurd arrogant und von sich selbst überzeugt, grenzenlos selbstsüchtig und ohne jede Scham.
Sucht nach Selbstdarstellung
Schon vor Beginn seiner Amtszeit warnten Psychiater, Trump sei «psychisch unfähig und inkompetent, die Amtsgeschäfte eines Präsidenten der USA auszuüben». So steht es in der Petition eines Psychiaters der Johns Hopkins University, die von 70.000 Menschen unterzeichnet wurde. Dass Trump gewählt wurde und weiter an der Macht ist, sei aber kein Zufall, schreibt Hirigoyen im neuen Buch «Die toxische Macht der Narzissten».
Trumps Erfolg spiegle die «Richtungslosigkeit» unserer Welt, in der die Selbstdarstellung in Sozialen Netzwerken für viele nicht nur zu einer zentralen Beschäftigung, sondern zu einer Sucht geworden sei.
Ihre Thesen stützt Hirigoyen auf Fallbeispiele, Studien und ihre langjährige Erfahrung. Die Autorin ist auch als Familientherapeutin tätig. Seit dem anhaltenden Erfolg von «Die Masken der Niedertracht» (2000) ist die Französin auch bei uns bekannt.
Im Blick der anderen existieren
Im griechischen Mythos nimmt Narziss nichts von der Welt wahr, weil er von seinem eigenen Spiegelbild im Wasser eingenommen ist und nur dieses lieben kann. Die als Narzissmus bezeichnete, krankhafte Sucht danach, von anderen gespiegelt und bestätigt zu werden, habe in unserer «um Konsum und Displays kreisenden Bild- und Informationsgesellschaft» gute Chancen, so Hirigoyen.
Wenn – auch in der Arbeitswelt – die Performance mehr zählt als reale Fähigkeiten; wenn Erfolg so hoch bewertet wird, dass er auch mit Lügen und Betrügen und kriminellen Aktivitäten erkauft werden darf, dann lösten sich moralische Werte und Haltungen auf, schreibt Hirigoyen. Vom Blick der anderen wahrgenommen zu werden, ist alles, was zählt.
Zum Narzissten erziehen
Wie wird jemand zum Narzissten? Es seien einerseits in ihrer Kindheit herabgewürdigte, seelisch vernachlässigte Menschen, die keine Chance hatten, die kindliche Phase des Narzissmus zu durchleben und hinter sich zu lassen, so Hirigoyen.
Aber auch die heute eher übliche Praxis, die eigenen Kinder zu sehr zu bewundern und überhaupt nicht zu begrenzen, sei gefährlich. Wer seine Kinder nicht mit den Grenzen der Realität konfrontiere, lehre sie «Frustrations-Intoleranz». Diese sei eine Vorlage für Sucht und Narzissmus.
Kein echter Selbstwert
Narzissten bauten ihren oft mit allen Mitteln der Manipulation erreichten Erfolg nicht auf echten Selbstwert, schreibt Hirigoyen. Selbst-Vermarktung arbeite meist mehr mit Schein als mit Sein.
Deshalb befriedigten Erfolge Narzissten nicht, sondern müssen ständig überboten werden: Dies passe zur kapitalistischen Wachstumslogik und erkläre, wieso in vielen Machtpositionen Narzissten am Ruder seien. Am Ende ihrer beunruhigenden Analyse drückt Hirigoyen ihre Hoffnung auf eine langsam wacher und bewusster werdende Zivilgesellschaft aus – und in eine junge Generation, die den «hohen Preis» nicht mehr zahlen wolle, den Mensch und Umwelt für die Logik des Konsums entrichten.