Das prompte Ja zum Verschleierungsverbot seitens der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) verwundert schon etwas. Der Verbund von evangelischen Freikirchen, kirchlichen Werken und reformierten Gruppen setzte sich nämlich wiederholt für Religionsfreiheit ein.
Für die Rechte von Muslimen ergriff sie mehrfach Partei. Ihr Ja möchte die SEA darum auch keinesfalls als muslimfeindlich verstanden wissen. Im Gegenteil: Sie verstehen Muslime als Teil unserer Gesellschaft. Und zur Integration gehöre es ja gerade dazu, das Gesicht zu zeigen.
Es geht um Sicherheit und nicht um Religion
Der SEA-Mediensprecher Simon Bucher betont, dass es in der Initiative vor allem um Sicherheit ginge. Das Vermummungsverbot ziele auch auf Unruhestifter, die etwa an Sportfesten Gewalt ausübten.
In ihrem Positionspapier fragt die SEA sogar, ob es ein neues Verbot in der Form überhaupt brauche. Ein Vermummungsverbot an Demonstrationen oder Sportanlässen kann man ja auch jetzt schon aussprechen, ohne ein neues Gesetz.
Vollverschleierung widerspricht dem christlichen Menschenbild
Die Vollverschleierung von Frauen widerspreche dem christlichen Menschenbild, ist die evangelische Allianz überzeugt. Aber sie gibt zu bedenken, dass vollverschleierte Musliminnen bei uns ein äusserst seltenes Phänomen seien. Es betreffe sehr wenige Frauen in unserem Land, vor allem Touristinnen, die nur temporär bei uns sind, streicht SEA-Sprecher Simon Bucher heraus.
Gesichtzeigen ist Voraussetzung für unser Zusammenleben
Der römisch-katholische Bischof von St. Gallen Markus Büchel wünscht sich, dass die vollverschleierten Frauen ihr Gesicht freiwillig zeigten. Damit könnte sie ihren Integrationswillen ausdrücken.
Für Bischof Büchel gelingt zwischenmenschliche Kommunikation nur, wenn wir einander ins Gesicht schauen. Wenn man das nicht könne, verunsichere uns das. Darum verstehe Bischof Büchel Ängste in der Bevölkerung sehr gut.
Keine Vorschrift im Koran
Als Theologe weist Bischof Büchel darauf hin, dass der Koran selber keine Vollverschleierung von Frauen vorschreibt. Darum stelle ein Verschleierungsverbot auch keine Einschränkung der Religionsfreiheit dar. Sein Kollegium, die Schweizer Bischofskonferenz sieht das ähnlich. Die Schweizer Bischöfe hatten sich am Beginn der Kampagne jedoch noch vage bis offen zu einem Verbot geäussert.
Die Religionsfreiheit müsse gewahrt bleiben, schrieben die römisch-katholischen Bischöfe: «Dabei muss die Bekleidungsweise es erlauben, sich jederzeit zu erkennen zu geben, um die Sicherheit und das friedliche Zusammenleben zu ermöglichen».
Für eine Begegnung auf Augenhöhe
Die ersten christlichen Stimmen zur Vollverschleierungs-Initiative überraschen zunächst mit ihrem Ja. Zugleich differenzieren sie und mahnen zur Verhältnismässigkeit der Mittel.
Das Gesicht zu zeigen, ist für viele Christinnen und Christen offenbar grundlegend für das gesellschaftliche Miteinander, für Integration und Dialog auf Augenhöhe.