Seit dem 17. Februar sind die Corona-Schutzmassnahmen weitgehend aufgehoben. Von den bisherigen Einschränkungen war die Kulturbranche lange betroffen. Was bedeutet der Entscheid des Bundesrats für sie? Und wie lange wird es dauern, bis Kultureinrichtungen zur Normalität zurückfinden? Sandra Künzi, Mitgründerin der «Taskforce Culture», schätzt die Lage ein.
SRF: Sind Sie mit dem Entscheid des Bundesrats zufrieden?
Sandra Künzi: Ja, das ist ein guter Entscheid. Der Bundesrat hätte Mühe gehabt, die Massnahmen noch länger aufrecht zu halten. Insbesondere die Zertifikatspflicht war von Anfang an als befristete Massnahme gedacht, weil sie sehr einschneidend ist. Das ist auch unsere Sicht in der Kulturbranche. Wir wollen die Leute nicht vom Besuch von Kulturveranstaltungen ausschliessen. Das Zertifikat konnte jedoch in gewissen Kreisen so gelesen werden. Daher ist es gut, dass es jetzt aufgehoben wird.
Bewertet die Kulturbranche auch die Aufhebung der Maskenpflicht so positiv?
Das ist ein zweischneidiges Thema. In der Kulturbranche sind die Meinungen unterschiedlich, gerade auch in den verschiedenen Sprachregionen. In der Romandie wird die Aufhebung eher befürwortet. In der Deutschschweiz dagegen wird eher kritisch beäugt, dass sofort alle Massnahmen wegfallen.
Wenn ein Theater die Maskenpflicht weiterführen möchte, ist das nachvollziehbar.
Und wie stehen Sie selbst zu dem Thema?
Ich persönlich sehe die Maskenpflicht als nicht sehr invasive Massnahme. Wenn zum Beispiel ein Theater sie weiterführen möchte, weil es ein älteres Publikum hat oder zusätzliche Sicherheit schaffen will, ist das nachvollziehbar.
Auch aus psychologischer Sicht sehe ich gewisse Schwierigkeiten. Wir haben uns zwei Jahre lang an die Massnahmen gehalten. Jetzt fallen sie plötzlich weg. Daran müssen wir uns erst wieder gewöhnen.
Bringt der Entscheid des Bundesrats mehr Planungssicherheit für Kultureinrichtungen?
Auf jeden Fall. Der Wegfall der Massnahmen ist eine klare Ansage, mit der man wieder arbeiten kann. Das Problem ist allerdings, dass der Planungsvorlauf bei Kulturveranstaltungen lange ist. Das gilt etwa für grössere Festivals, aber auch für aufwendige Theaterproduktionen, die ein Jahr im Voraus planen. Daher wird sich die Aufhebung der Massnahmen nicht sich sofort niederschlagen.
Es wird bis zu zwei Jahre dauern, bis die Normalität in der Kultur angekommen ist.
Dasselbe gilt auch für das Publikum. Es werden nicht alle auf Knopfdruck wieder ins Theater rennen. Diese Verzögerungen muss man einberechnen. Auch die Kulturschaffenden, die wieder rausfahren müssen, werden sich erst umgewöhnen müssen. Es wird mehrere Monate bis ein, zwei Jahre dauern, bis die Normalität auch in der Kultur angekommen ist. Deshalb ist es wichtig, dass man die Unterstützungsmassnahmen weiterführt.
Wie können die Kulturbetriebe denn das Publikum wieder zurückgewinnen?
Das ist gar nicht so einfach. Den oft zitierten Sog des Sofas und der Streaming-Plattformen gibt es wirklich. Schliesslich hat man zwei Jahre lang gehört, dass man zu Hause bleiben und Kontakte meiden soll. Da ist es eine echte Herausforderung, wenn man plötzlich wieder unbefangen in einem Saal sitzen oder gar in einem Club tanzen soll.
Vonseiten des Bundes, der Kantone sowie der Städte und Gemeinden braucht es jetzt ein klares Bekenntnis zur Kultur und zu den Kulturschaffenden. Statt «Bleiben Sie zu Hause» muss es jetzt überall heissen: «Kommen Sie raus aus der Wohnung und rein in die Theater, Kinos und Museen.»
Das Gespräch führte Katharina Brierley.