Das Wichtigste in Kürze:
- Die UNO übernimmt die Aufgaben des Völkerbundes.
- In Indochina, Korea und Palästina zeichnen sich neue Kriege ab.
- In Nürnberg und in Tokio finden Prozesse gegen die Hauptverantwortlichen für die Kriegsverbrechen statt.
Im Jahr eins nach der grossen Katastrophe des Zweiten Weltkrieges bildet sich die neue Weltordnung heraus. Winston Churchill spricht vom «Eisernen Vorhang» der sich quer durch Europa zieht. Der Völkerbund wird aufgelöst und die UNO übernimmt seine Aufgaben.
Mehrere neue Staat werden gegründet oder erhalten ihre Unabhängigkeit: Österreich erhält seine alten Grenzen von 1937 zurück, Ungarn wandelt sich vom Königreich zur Republik, Jugoslawien übernimmt das sowjetische Modell mit verschiedenen Teilstaaten. Syrien, Jordanien und die Philippinen erlangen ihre Unabhängigkeit.
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg
Doch es stehen neue Konflikte: Frankreich erkennt die Unabhängigkeit Vietnams nicht an und die ersten Schüsse im Indochina-Krieg fallen. In Korea richten Amerikaner und Sowjets, entgegen der Abmachungen, zwei Besatzungszonen ein.
In Jerusalem explodiert eine Bombe im King David Hotel. Das Hotel dient der britischen Mandatsregierung als Herberge für einige Büros der Zivilverwaltung und als Armeehauptquartier. Verantwortlich für den Anschlag ist die Untergrundorganisation Lehi, die unter anderem vom späteren Premierminister Menachem Begin geführt wird.
Beim Anschlag sterben 91 Menschen, 46 werden verletzt. Für England wird die Situation im Mandatsgebiet Palästina immer unberechenbarer. 1948 zieht sich England ganz aus Palästina zurück. Am 14. Mai 1948 ruft David Ben-Gurion den Staat Israel aus.
Aufarbeitung der Gräuel
In Nürnberg endet im Oktober 1946 der Prozess gegen 24 Hauptkriegsverbrecher des NS-Systems. Zwölf Angeklagte werden zum Tode verurteilt, sieben erhalten langjährige oder lebenslängliche Gefängnisstrafen und fünf werden, aus unterschiedlichen Gründen, freigesprochen.
Parallel zum Nürnberger-Prozess findet in Tokio ab dem 3. Mai 1946 ein Prozess gegen die Hauptverantwortlichen der japanischen Kriegsverbrechen statt.
Die Kritikpunkte am Tokioter-Prozess sind ähnliche, wie die am Nürnberger-Tribunal: Es handle sich um Gewinnerjustiz, heisst es. Die japanischen Kriegsverbrechen werden unter die Lupe genommen, die Flächenbombardements der Allierten in Tokio und Yokohama aber nicht thematisiert. Ganz zu schweigen von den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki.
Die schützende Hand der Besatzer
Hauptkritikpunkt ist, dass die amerikanischen Besatzer die Kaiserfamilie schützen und ihre Rolle bei der gewaltsamen Expansion Japans nicht thematisieren. Weder Hirohito noch seine Söhne, die während des Krieges zum Teil hohe Posten im Militär innehaben, werden angeklagt. Das Kalkül der Besatzer ist, dass die Institution der Kaiserfamilie zur Legitimierung der Besatzung beitragen soll.
Der Prozess endet 1948 mit sieben Todesurteilen, 16 Angeklagte erhalten lebenslange Haftstrafen und zwei langjährige Haftstrafen. Vier der Verurteilten sterben im Gefängnis, die anderen werden zwischen 1954 und 1956 allesamt aus dem Gefängnis entlassen.
Ähnlich wie in Deutschland steigen viele Kriegsverbrecher im Japan der Nachkriegsjahre in wichtige Positionen in Staat und Wirtschaft auf. Paradebeispiel ist Nobusuke Kishi, der die Industrialisierung der Mandschurei in den 1930er- Jahren ohne Rücksicht auf menschliche Verluste vorantreibt. Von 1957 bis 1960 ist er Premierminister von Japan.
Ereignisse 1946 – Ein Jahr in Bildern
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Bild 1 von 15. Bundesrat Karl Kobelt von der FDP ist 1946 Bundespräsident. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 15. Der Norweger Trygve Lie wird erster Generalsekretär der frisch gegründeten UNO. Bildquelle: Imago/ United Archives International.
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Bild 3 von 15. Am 1. September 1946 startet die Formel 1 mit dem Grand Prix in Turin. Die tollkühnen Männer in ihren zigarrenförmigen Kisten fahren bis 1949 einzelne Rennen. Die Weltmeisterschaft für Fahrer und Konstrukteure wird 1950 eingeführt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 15. Am 14. Februar 1946 wird an der University of Pennsylvania der «Electronic Numerical Integrator and Computer» kurz ENIAC vorgestellt. Es ist der erste elektronische Universalcomputer. Das 27 Tonnen Monstrum wird für ballistische Berechnungen verwendet. Bildquelle: Imago/ United Archives International.
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Bild 5 von 15. Servette Genf gewinnt die Fussballmeisterschaft 1946. Es ist die erste Saison mit dem legendären Linksaussen Jacques «Jacky» Fatton (rechts im Bild). Die Grasshoppers gewinnen in dieser Spielzeit den Cup. Bildquelle: Wikimedia/ Nationaal Archief Fotocollectie Anefo.
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Bild 6 von 15. Ende August 1946 findet die erste Ausgabe des Filmfestivals von Locarno statt. Bei der ersten Ausgabe werden die Filme noch nicht auf der Piazza Grand gezeigt – sondern im Grand Hotel Locarno. Die erste Austragung der Filmfestspiele in Cannes findet ebenfalls im Jahre 1946 statt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 15. Der Grundstein für das Pestalozzi Kinderdorf in Trogen wird am 28. April 1946 gelegt. Die ersten Kinder, die ins Dorf kommen, sind Waisen aus den Kriegsgebieten Europas. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 15. 1946 öffnet in Santa Claus, Indiana, der erste Themenpark seine Pforten. Das «Santa Claus Land» ist 9 Jahre älter als das Disneyland in Anaheim. Bildquelle: Wikimedia.
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Bild 9 von 15. In Argentinien gewinnt Juan Perón die Präsidentschaftswahlen. First Lady Eva «Evita» Perón erfreut sich grosser Beliebtheit bei der armen Bevölkerung und verhilft so ihrem Gatten zum Sieg. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 15. Ausgewählte Läden verkaufen neu die Plastikbehälter von Tupperware. Die Tupperware-Parties kommen Ende der 1940er-Jahre auf. Ab Anfang der 1950er-Jahre, kann man die bunten Plastikschalen nicht mehr im Laden, sondern nur noch ausschliesslich auf Parties kaufen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 15. Im südpazifischen Bikini-Atoll testen die USA Nuklearsprengkörper. Es sind die ersten Detonationen von Atombomben seit den Abwürfen über Hiroschima und Nagasaki. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 15. Kurz nach den Atombombentests im Südpazifik, stellt Louis Réard in Paris seine Kreation eines zweiteiligen Badeanzuges für Frauen vor. In Anlehnung an die Nuklearwaffentests nennt er ihn «Bikini». Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 15. Der fehlgeschlagene Fluchtversuch von der Gefängnisinsel Alcatraz in der Bucht von San Francisco endet im blutigen Desaster. Nach einer Geiselnahme wird die Gefängnisinsel belagert und mit Mörser-Granaten beschossen. Zwei Gefängniswärter und drei Insassen sterben. Zwei weitere Insassen werden nach der Geiselnahme zum Tode verurteilt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 15. Hermann Hesse erhält 1946 den Nobelpreis für Literatur. Emily Greene Balch von der «Women's International League for Peace and Freedom» und John Raleigh Mott von der «World Student Christian Federation» teilen sich den Friedensnobelpreis. Bildquelle: Imago/ United Archives International.
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Bild 15 von 15. Das Hotel und Casino «Flamingo» eröffnet im Jahr 1946 die Pforten. Das «Flamingo» ist das erste grosse Casino-Ressort am Las Vegas Strip. Besitzer des Flamingos ist bei der Eröffnung der Mafioso Benjamin «Bugsy» Siegel. Bildquelle: Imago/ ZUMA Press.
Das waren die Oscars 1946
Bei den Oscarverleihungen im März 1946 holt das Alkoholiker-Drama «Das verlorene Wochenende» die Auszeichnung als bester Film. Billy Wilder gewinnt seine ersten beiden Oscars als Regisseur und Drehbuchautor und die Goldfigur für den besten Hauptdarsteller gewinnt Ray Milland als schwer trinkender Autor Don Birnam in «Das verlorene Wochenende».
Hollywood Ikone Joan Crawford erhält den Oscar als beste Hauptdarstellerin für die Titelrolle im Film Noir «Mildred Pierce». Die Auszeichungen für die besten Nebenrollen erhalten James Dunn in «Ein Baum wächst in Brooklyn» und Anne Revere in «Kleines Mädchen, grosses Herz».
Das lief im Radio – eine Hitparade gab's noch keine
Die Hitparade gibt es 1946 weder in der Schweiz noch in Deutschland, Verkaufszahlen und das Radioairplay werden noch nicht erfasst. Die Musik von 1946 ist geprägt von Schlagern und Big-Band Swing-Nummern wie etwa Benny de Weilles «Schön wie ein Gedicht». Fröhliche, nicht sonderlich tiefgründige Nummern wie «Drei kleine Geschichten» von Evelyn Künnecke sind nach den dunklen Kriegsjahren beliebt.
Viele der Interpreten, die auch nach 1945 Erfolge feiern, haben sich für die Propaganda der Nationalsozialisten einspannen lassen oder sich zumindest mit den Faschisten arrangiert. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Schauspieler, Sänger und Entertainer Johannes Heesters.
Der Skandal des Jahres
Ende Dezember 1946 treffen sich in Havanna Amerikas Grössen des organisierten Verbrechens. Alle sind sie da: Charles «Lucky» Luciano, Meyer Lansky, Frank Costello und noch viele mehr. Die Mafiosi besprechen den Drogenhandel, die Kasinos, interne Streitigkeiten und die Zukunft Las Vegas'.
Für den eigentlichen Aufreger in der amerikanischen Presse sorgt aber das Unterhaltungsprogramm: Superstar Frank Sinatra ist in Kuba und wird mit «Lucky» Luciano zusammen gesichtet. «Shame, Sinatra!» titelt eine Kolumne.