- Im Westen Australiens wird bis heute nach Gold geschürft.
- Dafür werden jährlich 15 Millionen Tonnen Gestein abgebaut.
- Die Aborigines leiden bis heute unter den Folgen des Goldrauschs.
Es ist schwül und heiss. 39 Grad schon um 10 Uhr morgens. Trotzdem warten an der Hannan Street 40 Menschen geduldig auf den Tourbus. Sie wollen zur grössten Goldmine Australiens und viertgrössten der Welt: die Super Pit.
Die Mine ist das Wahrzeichen von Kalgoorlie. Das kleine Städtchen im Südwesten Australiens, 600 Kilometer von Perth entfernt, liegt im Outback. Ohne das Gold gäbe es den Ort nicht.
Sprengen bis die Scheiben scheppern
Die Goldmine an der südöstlichen Stadtgrenze liegt hinter einem Erdwall versteckt – ihre Ausmasse sind gewaltig: 3,9 Kilometer lang, fast 2 Kilometer breit und mit über 620 Metern knapp sechsmal so tief, wie der Prime Tower in Zürich hoch ist.
Es ist ein Kampf gegen Tonnen von Gestein – 365 Tage im Jahr, jeweils im Zweischichtbetrieb zu je 12 Stunden. Mit der romantischen Vorstellung von Schaufel, Spitzhacke und Schüttelsieb hat das nichts zu tun. Jede Woche werden so gewaltige Löcher ins Gelände direkt neben Kalgoorlie gesprengt, dass in dem Städtchen die Scheiben scheppern.
Umstrittener Abbau
Jährlich transportieren Schaufelbagger und Lastkipper 15 Millionen Tonnen Gestein aus dem Bauch der Grube. Mächtige Trommeln zermahlen es zu immer kleineren Brocken. In einer Anlage aus Tanks, Röhren, Ventilen und Öfen wird das Gold schliesslich in einem chemisch-physikalischen Verfahren vom Gestein gelöst und eingeschmolzen.
Kritiker sagen, dass bei diesem Prozess giftige Stoffe entstehen. Diese werden zwar leicht in der Natur zersetzt und abgebaut, dennoch kann der entstehende Cyanid-Staub durch Wind und Wasser unkontrolliert in die Umwelt gelangen und ökologische Schäden verursachen.
Kurzer Boom
Das Gold hat die Geschichte Westaustraliens geschrieben. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden innerhalb weniger Jahre Städte aus dem Nichts. Doch der Boom währte nicht lange. Viele Minen wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts geschlossen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmte nicht mehr.
Die Menschen zogen weiter, Häuser zerfielen, Gruben stürzten ein. In der endlosen Weite sind tausende Stollen geblieben – in denen man sich, wenn man zufällig hineinstolpert, alle Knochen brechen kann.
Überall in Westaustralien erheben sich Steinhaufen und Erdplateaus, die von Weitem wie Hügel aussehen. Beim Näherkommen zeigt sich, dass hier schon jemand den Boden – auf der Suche nach Gold oder anderen Bodenschätzen umgewühlt hat. Die einzigen, die sich vom Schein des Edelmetalls nicht blenden lassen, sind die Aborigines, die Ureinwohner Australiens.
Vom Goldrausch überrannt
«Es waren die Europäer, die nach Australien kamen, für die das Edelmetall einen Wert besass. Die Aborigines haben Gold nur benutzt, um bei den Weissen für Essen und Alltagsgegenstände zu bezahlen»,sagt Gary Ross. Der kleine, untersetzte Rentner arbeitet im Museum von Gwalia, der zweitgrössten Goldmine Westaustraliens.
Die Ureinwohner sind die grossen Verlierer der Goldförderung, damals wie heute. Sie wurden vom Ansturm der Goldsucher geradezu überrannt. Unterdrückung und Tod, Ausgrenzung und Gettoisierung, Zwangsadoptionen von Mischlingskindern seitens der Kirche, soziale und kulturelle Entwurzelung waren die Folge nach der Ankunft des weissen Mannes.
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Von der Gesellschaft abgetrennt
Heute wird das Leben der Aborigines vom Staat hoch subventioniert. Ihnen, für die ihr Land heilig und unantastbar ist, wird so ihr Stillhalten beim Raubbau abgekauft. Selbst in den kleinen Gemeinden bekommt man sie kaum zu Gesicht.
«In den 1990er-Jahren waren die Zustände unter den Aborigines schockierend: Armut, Gettoisierung, Gewalt, Alkoholismus, Drogen. Die Leute hatten riesige soziale Probleme, die daher rührten, dass sie umgesiedelt und vom Rest der Gesellschaft getrennt worden waren», sagt Warren Mundine. Der 59-jährige Katholik vom Clan der Bundjalung ist Politiker.
Gold vom heiligen Land
Mundine beriet schon mehrerer Premierminister seines Landes, ist Wirtschaftsexperte, Gründer und Aushängeschild diverser Hilfsorganisationen: «Seitdem hat die australische Regierung Milliarden Dollar für ihre Unterstützung ausgegeben. Doch pro Dollar kamen im Schnitt nur vier Cent bei den Leuten an. Das wirft ein Schlaglicht auf die blamable Verschwendung dieser Gelder.»
Mundine ist davon überzeugt, dass beide Welten zusammenkommen müssen. Und davon, dass Aborigines ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen müssen. «Als die Briten und später die Siedler hatten eine simple Vorstellung vom Land: dass es dazu da war erobert und ausgebeutet zu werden. Für uns Aborigines ist es vor allem eines: heiliges Land!»