Alle, die im Netz schon einmal etwas mit Sinnsuche, Christentum oder christlicher Sexualmoral gesucht haben, werden auf ihn gestossen sein: Johannes Hartl.
Gegenwartsdiagnosen, Charisma und ein ausserordentliches rhetorisches Geschick – all das bringt der promovierte Theologe Hartl mit sich und trägt es grosszügig nach aussen. Hunderttausende hören ihm zu.
Das Prinzip Hoffnung
In Zeiten dystopischer Zukunftsszenarien drohe uns Menschen, vor Angst zu erstarren. «Wir sind gegen CO2-Ausstoss, gegen Rassismus und Sexismus, klar.» Wofür wir hingegen seien, bleibe offen.
Nur Menschen, die Hoffnung hätten, könnten die Zukunft positiv prägen, ist sich der Theologe sicher. So dürfe man die Herzensebene nicht vergessen: Kultivierung von Sinn, echte Verbundenheit und unverzweckte Schönheit. Gerade im digitalen Zeitalter müsse auf die zwischenmenschliche Beziehung Acht gegeben werden, rät Hartl.
Garten Eden auf Erden?
Aus diesem «Humus des Menschlichen», so Hartl, gedeihe das positive Leben. Ausführlich geht er darauf in seinem Bestseller «Eden Culture» ein, mit dem er auch eine neue Bewegung starten möchte. Hartl spricht darin bewusst nicht von Religion, Glaube oder Gott. Er möchte auch mit Ungläubigen in Dialog treten.
Dass er seine Vision mit dem Garten Eden umschreibt, sei «eine Erinnerung daran, wie wir eigentlich leben wollen». Hartl findet die Nährstoffe Verbundenheit, Sinn und Schönheit im Bild des Gartens wieder. Er möchte sie als Leitbild des Lebens ins Jetzt holen. Damit trifft der Theologe auf viel Zuspruch – aber nicht nur.
Hoffnungsträger, Heiliger oder Halunke?
All seine Inhalte hängen an seiner Person, stets kommt er in seinen Beiträgen vor. So entlädt sich an Hartl auch Kritik. Der Hoffnungsträger polarisiert. Dass er bekennender Christ ist, für ein traditionelles Familienmodell einsteht, die Mutterrolle hochhält und gleichgeschlechtlichen Sex problematisiert, ist für viele schlicht inakzeptabel.
So kursieren im Internet Bilder von seinem behörnten Antlitz, das ihn als ultimatives Feindbild darstellt. Dass er diesen Hass stets mit wohlwollenden Kommentaren und Richtigstellungen pariert, ist bemerkenswert.
Hartl ist allerdings ein gutes Beispiel dafür, wie vorsichtig man mit Statements im Internet umzugehen hat. Denn auch wenn er einige seiner kritischsten Aussagen zur Homosexualität so heute nicht mehr tätigen würde, sind sie weiterhin auffindbar und werden zitiert.
Jeder Mensch ist, so wie er ist, radikal angenommen und geliebt.
Konfrontiert man ihn mit einem Vortrag von 2013, in dem er sagt, dass es Familiengründung und Ehe nur zwischen Mann und Frau geben solle, antwortet er: Das sei nicht mehr sein Hauptthema, er beschäftige sich lieber mit anderem.
Die für viele diskriminierenden Aussagen hat er bisher jedoch nicht zurückgenommen. Klar ist: Hartl fühlt sich der Bibel verpflichtet. Was in ihr stehe, sei nun mal nicht zu ändern, und was davon abweiche somit eine Herausforderung.
Allerdings sei es ihm mittlerweile wichtig zu betonen, dass jeder Mensch «so wie er ist, radikal angenommen und geliebt ist». Auch die Pluralität, in der wir zumindest in Mitteleuropa leben, begrüsse er.
Ob diese Message auch schon im Internet und damit bei all jenen angekommen ist, die in Hartl ihren weltanschaulichen Widersacher sehen?