Zum Inhalt springen

Digitale Sprachassistenten «Siri – werum verstahsch mi nid?»

Schweizer Mundart stellt digitale Sprachassistenten vor grosse Probleme. Ein Walliser Start-up will Abhilfe schaffen.

Siri, Google Assistant, Alexa, Bixby, Cortana – die Liste der digitalen Sprachassistenten wird immer länger. Vor allem im englischen, aber zunehmend auch im französischen und im deutschen Sprachraum erfreuen sich die sprachbasierten Helferlein der Smartphones und Smart Speaker immer grösserer Beliebtheit.

Einzig in der Schweiz werden sie noch kaum benutzt. Und das, obwohl die Schweiz eines der Länder mit der weltweit höchsten Smarthphone-Dichte ist.

Das liegt nicht etwa daran, dass die Benutzerinnen und Benutzer in der Schweiz kein Interesse an der Technologie hätten – im Gegenteil. Auch die Nachfrage nach den unterschiedlichsten Gadgets für das künftige «Smart Home» steigt. Das geht von Lautsprechern über Fernseher bis hin zu Beleuchtungsmitteln, die auf Sprachsteuerung reagieren.

Die wenigsten verstehen Schweizer Mundart

Spricht man solche Geräte aber in der Art und Weise an, wie man sich zu reden gewöhnt ist, bleibt der Erfolg aus. Die wenigsten Sprachassistenten verstehen Schweizer Mundart auch nur ansatzweise.

Grüss dich.
Autor: Siri auf die Frage: «Hey Siri, chunnts am Wuchenänd cho schneie?»

Auf die Mundartfrage «Hey Siri, wie chunnt mer vo da zum Radiostudio?», muss man mit einer Antwort à la «Tut mir leid. Ich konnte ‹Kupferdosen› in deiner Musikmediathek nicht finden» rechnen.

Die Überforderung ist augenfällig. An dieser Stelle setzt der Walliser David Imseng mit seinem Startup «Recapp» an. Seit vier Jahren arbeitet er mit seiner Firma an einer Software, die Schweizer Dialekte zuverlässig erkennen und in hochdeutschen Text umsetzen kann. Kein einfaches Unterfangen, wie Imseng sagt.

Ein Computer lernt eine Sprache wie wir Menschen

Grundsätzlich gebe es keinen grossen Unterschied, ob man einem Computer oder einem Kind eine Sprache beibringen wolle: «Genauso, wie ein Kind Laute und anschliessend Wörter und Sätze lernt, die aus diesen Lauten bestehen, muss man diese Elemente auch einem Computer beibringen. Und wie ein Kind über die Jahre verschiedene Laute und verschiedene Situationen erlebt, so ‹erlebt› das beim Training auch eine Software.» Auf Englisch gehe das aber viel schneller als auf Schweizerdeutsch.

Ein grosser Nachteil der Schweizer Dialekte sei nämlich das spärliche Trainingsmaterial: Während im Internet, beispielsweise auf Youtube, hunderttausende Stunden Material in englischer Sprache zur freien Verfügung stehen, findet man im Vergleich nur wenige Dialektclips aus der Schweiz.

Man ist sicher vor Geheimdiensten

Erschwerend kommt hinzu, dass es nicht «das Schweizerdeutsch» gibt: Unsere Dialekte haben keinen Standard. Das heisst, es gibt in der Aussprache, aber auch in der Wortwahl selbst eine enorme Diversität.

Manche Dialekte, zum Beispiel das Walliserdeutsche, seien besonders schwer zu verstehen für die Software: «Wenn man auf Walliserdeutsch das Wort ‹Haus› als ‹Hüüs› ausspricht, liegt es für einen Computer vielleicht noch nahe, dass dann ‹Maus› wie ‹Müüs› tönt. Aber dass man im Wallis den Kühlschrank ‹Frigor› nennt – solche Sachen müssen der Software einzeln beigebracht werden», sagt David Imseng.

Das ist enorm aufwendig und kostenintensiv. Weil sich grosse Firmen davor scheuen, diesen Aufwand auf sich zu nehmen, spricht Imseng gar schmunzelnd vom Walliserdeutschen als der letzten Bastion der abhörsicheren Sprachen: «Mit Viola Amherd im Bundesrat würde es sich doch anbieten, diese Sitzungen einfach auf Walliserdeutsch abzuhalten. Damit wäre man zumindest vor dem Abhören durch englischsprachige Geheimdienste bestens geschützt.»

Grosse Kosten – kleiner Markt

Grosse Player wie Apple, Google oder Amazon sehen die Nachfrage bei den Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz ohne Zweifel, doch für einen derart beschränkten Markt – weltweit sprechen vielleicht 10 Millionen Menschen Schweizerdeutsch – stellt sich ihnen nach wie vor die Frage nach Aufwand und Ertrag.

Einen Achtungserfolg verbucht dagegen die Swisscom: Die neue Swisscom-Box, die gerade intensiv beworben wird, enthält einen Sprachassistenten, der tatsächlich Schweizerdeutsch verstehen soll. Vorerst einmal aber nur im Testmodus.

Das «Smart Home», mit dem man sich in Dialekt unterhalten kann, wird es also vorerst noch nicht geben. Aber vielleicht doch schneller, als man denkt. David Imseng leistet mit seinem Startup Pionierarbeit, auf die andere Anbieter aufbauen könnten.

Meistgelesene Artikel