Cork in Irland, ein Neubau am Stadtrand: Hier sass er zwischen seinen Arbeitskollegen und fragte Siri Löcher in den Bauch: «Was läuft heute Abend im Kino?» «Bitte eine vegane Burger-Beiz.» «Wie wird das Wetter in Wädenswil?»
Basil Bieri, der eigentlich anders heisst, hat vergessen, wie oft er vom digitalen Sprachassistenten aus dem Hause Apple irgendetwas wissen musste. Was der frühere Deutschschweizer Siri-Tester aber genau weiss: Er möchte in diesem Artikel nicht namentlich genannt werden.
Man kennt sich in der Branche. Basil Bieri weiss nicht, wo er sich morgen bewirbt. Da hält man sich besser bedeckt, im Sinne der beruflichen Vorsorge.
Sonderfall Schweiz
Bieri war nach Cork gezogen, um Siris Schweizerdeutsch zu verbessern. So stand es auch in der Stellenausschreibung. In Cork lernt Siri Französisch und Finnisch, Hebräisch und Arabisch, Hochdeutsch und Niederländisch. Aber Siri, das merkte Bieri rasch, lernt kein Schweizerdeutsch.
Die Schweiz, dieser ewige Sonderfall: Das kleine Land hat die vielleicht welthöchste iPhone-Dichte, aber mit seinen geschätzt drei Dutzend Dialekten ist sie einem Global Player wie Apple dann doch eine Spur zu kleinteilig. Dass Siri den Tischler aus dem Thurgau und die Winzerin aus dem Wallis versteht? Viel zu aufwendig, viel zu teuer.
«Normales Schweizer Hochdeutsch»
Ein gutes Drittel der Schweizerinnen und Schweizer, so besagt es das Resultat einer neueren Studie, hat einen digitalen Sprachassistenten schon einmal ausprobiert. Aber nur ein Zehntel nutzt ihn im Alltag regelmässig.
Das liegt daran, dass die meisten Schweizer mit Siri & Co. nicht so reden können, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist – nämlich direkt, im Dialekt. Es hat auch damit zu tun, dass Siri sich noch immer öfters schwer damit tut, ein schweizerdeutsch eingefärbtes Hochdeutsch zu verstehen.
Bieri musste Siri ein «ganz normales Schweizer Hochdeutsch» beibringen, was ihn, der nach dem Studium so lange in Deutschland gelebt hatte, dass man seinem Deutsch die fremde Färbung nicht mehr anhörte, gestört habe. «Ich habe mir nicht besonders gern zugehört», meint Bieri.
Dann war da noch dieser Widerspruch, der dem Exil-Schweizer zusehends spanischer vorkam: Apple arbeitet gerade nicht mit Sprach-Samples, sondern lässt Siri von Menschen aus Fleisch und Blut weiterbilden.
Viel mehr als das Stellen von Test-Fragen hat man von Leuten wie Bieri nicht verlangt. Den meisten im Team war das egal – Bieri störte sich zunehmend daran. Repetitiv war dieses «Domänen-Testen», wie er es nennt, zu rasch Routine.
Die Grenzen des Verstehens
Man muss sich den Siri-Tester dennoch als glücklichen Menschen vorstellen. Links der Kollege aus Deutschland, rechts der Österreicher, drüben die Türken beim Testen: Und alle sagen sie laut und etwas überdeutlich Sätze auf, um Siri an ihre Sprachgrenzen zu bringen.
Denn wenn Siri etwas nicht kapiert, umso besser. Jedes Unverständnis hilft der Technik-Crew in Cork, Siri ein Schrittchen weiterzubringen. Was all jene freut, die nie wieder Hand anlegen wollen, wenn sie von ihrem iPhone Hilfe brauchen.
Knopf in der Leitung
Wann gab sich Siri besonders begriffsstutzig? Basil Bieri kann sich nicht erinnern. «Ich habe erfolgreich versucht, den Job am Abend nicht mit nach Hause zu nehmen.»
Lustig sei es immer geworden, wenn sich Siri auf sein Schweizer Normalo-Hochdeutsch eingestellt habe, er sich aber fieserweise einen französischen Song gewünscht habe. «‹Spielst du mir Gainsbourg, Siri?› Bei so etwas kriegte sie regelmässig die Krise.»
Wann und wie hat Siri-Tester Bieri Siri privat genutzt? Vor allem beim Joggen, um Songs zu überspringen, die ihn aus dem Tritt brachten. Als Bieri dann nach 18 Monaten bei Apple davonlief, hat er sein iPhone bald gegen ein anderes Smartphone ausgetauscht.