«Ach, der Elon», sagte der Kollege, und es fühlte sich an, als hätte er sich mit «X-Man» am Vorabend auf ein Bier in der Bar getroffen. Ziemlich genau so klang es bei den nicht mehr ganz jungen Damen, die auf offener Strasse über Britneys für den Herbst angesagte Autobiografie debattierten, als hätten sie sie längst gelesen. Musk oder Spears, oder mit anderen Worten: Nachnamen? Nowhere – und das überall.
Duzen ist doll. Immer da war es nicht. Ich kann mich dunkel erinnern, wie mein Vater früher beim Frühstück stolz verriet, er sei endlich mit diesem Dieter oder jener Juliana per Du. Dabei waren das womöglich «nur» die Eltern meiner Freunde oder Papas alte Kindergartenkollegen, die er nach Jahrzehnten wieder getroffen hatte.
Per Du? No big Deal!
Per Du sein: Das war einmal ein Big Deal. Es setzte Gottvertrauen und Kastendenken voraus, Taktgefühl und Todesmut: Wer bietet es an – und wie lebt es sich weiter, wenn die Gegenseite ablehnt?
Im Büro oder Bistro, im Kochclub oder an Konferenzen: Heute sind wir alle mit allen per sofort per Du. Von Ärztinnen, Polizisten und Lehrpersonen abgesehen. Was mit ein Grund dafür sein mag, warum man sich diese Berufsgruppen lieber vom Leibe hält.
Mittlerweile duzen einen ja wild gewordene Fussballkommentatoren, wenn sie von uns Glotzköpfen verlangen: «Den musst du machen!» Dass man aber über Superstars spricht, als träfe man sie täglich zum Pausentee, ist für mich indes ein Fragezeichen der jüngeren Jetzt-Zeit.
Woher kommt der Vornamen-Fetisch?
«Pedro schreibt.» «Pipilotti macht»: Die neuere Normalitätsnähe zu den Lenzen, Rists und anderen Ausnahmeerscheinungen hat natürlich damit zu tun, dass längst selbst weltfremde Würdenträger wie ein, sagen wir, Ex-Pontifex dank sozialer (und asozialer) Medien nahbar geworden sind und deshalb leicht verschwinden kann, was weiland «gesunde Distanz» hiess.
Bis vor Kurzem liessen wir Stars maximal ins Wohnzimmer, wo wir sie erstaunt im Fernseher bestaunten. Mittlerweile fassen wir ihnen am Morgen als Erstes ins Gesicht, bevor wir sie mit einem Lächeln vom Smartphone-Screen wischen – im noch nachtwarmen Bett.
Daran ist nichts Schlechtes. Die Welt mag wärmer werden, von menschlicher Wärme kann es nie genug geben. Eigentümlich ist nur, dass in Sachen «Star-Standortmarketing» eines typisch scheint: Je besser ein «Wer» sich im Werk einer Berühmtheit auskennt, so sie denn eines vorzuweisen hat, desto grösser scheint die Vornamenscheu.
Kein Lenz-Lesender würde den Poeten Pedro nennen, keine Kunst-Kennerin den Nachnamen Rist unter den Tisch fallen lassen. Es sei denn, man sei sich, irgendwo, irgendwann nähergekommen. Über den Daumen gepeilte Faustregel: Je mehr blindes Follower-Tum, desto betonter die Vornamen-Fixiertheit.
Buchstaben statt Namen
Aus alldem zu schliessen, dass in Zukunft Vornamen an Bedeutung gewinnen, die starke Marken sind, unverwechselbare Unikate und dezidierte Distinktionsmerkmale, das ist vermutlich in den falschen digitalen Papierkorb gedacht. Der Trend geht Richtung Verschlüsselung: Cristiano Ronaldo, das Saudi-Gaudi, besteht zwar aus zwei Vornamen, heisst aber schon länger nur noch «CR7». Und Mister Musks jüngster Sohn hört auf den seltenen Vornamen «X Æ A-12».
Wer ihn allerdings richtig gut kennt, so war es wenigstens in diesem Internetz zu lesen, nennt ihn einfach «X». Ach und: Elons jüngste Tochter hört auf den Rufnamen Y.