Sie ist erst 21, aber in Spanien längst ein Star. Schon mit 14 Jahren stand Elizabeth Duval in der Öffentlichkeit. Nun hat sie ein Buch über Transidentität geschrieben. Was bedeutet es, trans zu sein? Die Philosophin und Transfrau über Biologie und Begriffe, Veranlagung und Vergangenheit – und die Zukunft von trans.
SRF: Über Transpersonen wird oft gesagt, sie seien «im falschen Körper» geboren worden. Passt diese Beschreibung?
Elizabeth Duval: Hinter dem Ausdruck «im falschen Körper» steckt eine Art Gender-Neuplatonismus. Demzufolge wäre der Körper das Gefängnis der Seele, und die Seele könnte von Natur aus etwas sein, das dem Körper nicht entspricht. Ich halte das für eine falsche Vorstellung. Ich glaube nicht an eine strikte Trennung von Körper und Seele.
Ist Transidentität also ein körperliches, biologisches Phänomen?
Ich vertrete keinen Biologismus, wonach alles eine biologische Bestimmung hat. Die Aneignung einer Geschlechtsidentität ist ohne soziales System nicht möglich, ohne Geschlechterrollen, die in der Gesellschaft gelernt werden.
Du wirst abgelehnt, sobald eine Fehlanpassung registriert wird. Es gibt kein Gesetz, das solche Probleme löst.
Deswegen denke ich, man wird nicht als trans geboren. Da bin ich mit dem Gendertheoretiker David Halperin einverstanden, der meinte, man werde weder homosexuell noch heterosexuell geboren. Es könnte eine biologische Veranlagung geben. Diese braucht dann aber ein bestimmtes kulturelles Umfeld, um sich entfalten zu können.
Heisst das, das Trans-Sein verändert sich mit der Gesellschaft?
Ich glaube, dass Trans eine historische Erscheinung ist. Tatsächlich gab es bis vor wenigen Jahrzehnten keine Transpersonen. Davor waren andere Bewegungen im Gendersystem möglich, meistens in Verbindung mit Drag-Queens oder Transvestiten, konkrete Identitäten, die in ihrer Zeit und ihrem Umfeld entstanden waren.
Auch im Mittelalter oder in anderen Perioden gibt es Fälle von fliessenden Übergängen zwischen den Geschlechtern, aber ich würde diese Personen niemals als «trans» bezeichnen.
Transpersonen werden immer noch diskriminiert, gesellschaftlich und rechtlich. Aber es gibt Fortschritte: Seit Anfang Januar 2022 können Personen in der Schweiz ihr amtliches Geschlecht ohne Umstände ändern lassen. Zudem gibt es das Bestreben, mehr Unisex-Toiletten anzubieten, für so genannte «non-binäre» Menschen, die weder «Mann» noch «Frau» sind. Wie stark gewichten Sie diese Fortschritte?
Die Tatsache, dass es verwaltungstechnisch möglich ist, den Namen und die Geschlechtsbezeichnung im Personalausweis zu ändern, hat abgesehen von der Rechtspersönlichkeit leider nur wenig Konsequenzen.
Auch die Toilettenbenutzung hängt nicht vom Geschlechtseintrag im Personalausweis oder von der Rechtspersönlichkeit ab.
Wenn das, was wir heute «Geschlecht» nennen, nicht existieren würde, dann gäbe es einen anderen Code dafür.
Es ist vielmehr eine soziale Frage, eine Frage der gegenseitigen Anerkennung. Wenn du in einer Bar zur Toilette gehst, musst du dich in die Schlange der Männer oder der Frauen stellen und du bist der gesellschaftlichen Wahrnehmung deines Tuns ausgesetzt.
Du wirst abgelehnt, sobald eine Fehlanpassung registriert wird, wenn du also wegen deines Aussehens «am falschen Ort» stehst. Es gibt kein Gesetz, das solche Probleme löst.
Wir denken derzeit noch sehr stark in den Kategorien «Mann» und «Frau». Wird diese Unterscheidung in Zukunft verschwinden?
Nein, die Geschlechtsunterscheidung wird noch lange Bedeutung haben. Die Abschaffung der Geschlechterrollen und die Debatte darüber ist eine rein oberflächliche Frage.
Letztlich ist das Geschlecht eine Frage der Sprachtechnologie. Sie bestimmt die Art, wie wir miteinander kommunizieren, wie wir uns im Raum bewegen, wie wir wahrgenommen werden und füreinander da sind. Wenn das, was wir heute «Geschlecht» nennen, nicht existieren würde, dann gäbe es einen anderen Code dafür.
Wenn wir in der Jahrtausende alten Geschlechtergeschichte die Idee des Geschlechts nicht abgelegt haben, dann werden wir es kaum in den nächsten 300 Jahren schaffen.
Die Fragen stellte Wolfram Eilenberger. Das Interview ist ein leicht veränderter Auszug aus einem längeren Gespräch, das im Rahmen der «Sternstunde Philosophie» geführt wurde.