Weltweit gehen am 15. September Bürgerinnen und Aktivisten für mehr Klimaschutz auf die Strasse.
Der Soziologe Simon Schaupp von der Universität Basel forscht zur Klimastreikbewegung in der Schweiz. Im Interview erklärt er, unter welchen Eindrücken der heutige Aktionstag steht, warum der Einfluss von Aktivistinnen wie Greta Thunberg schwindet und weshalb sich bei vielen Menschen «Klimamüdigkeit» eingeschlichen hat.
SRF: Herr Schaupp, der globale Klimastreik-Tag findet wieder statt. Wird er so ablaufen wie in den letzten Jahren oder gibt es etwas Neues?
Simon Schaupp: Ich glaube, der Klimastreik wird ähnlich verlaufen wie in den letzten Jahren, nur dass die Klimakrise selbst sich natürlich immer mehr zuspitzt. Die aktuelle Lage in Libyen mit über 20'000 Toten oder die Überschwemmungen in Griechenland machen die Situation natürlich nochmal dramatischer.
In letzter Zeit wurde vor allem viel über die Aktivistinnen und Aktivisten der Klimabewegung berichtet. Wo sehen Sie die Bewegung heute?
Die Bewegung ist nach wie vor recht stark. Der Klimastreik ist aber mittlerweile nur noch eine von vielen Aktionsformen. Die Bewegung differenziert sich recht stark aus. Es kann sein, dass es inzwischen mehrere Klimabewegungen gibt.
Das bedeutet aber keine Schwäche. In der Schweiz und vor allem in Deutschland zum Beispiel gibt es mittlerweile immer mehr Bündnisse mit Gewerkschaften, die dem Klimastreik viel mehr Nachdruck verleihen könnten als nur streikende Schülerinnen und Schüler.
Klimaschutz ist ein Konflikt- und kein Konsensthema
Die Teilnahme an Klimastreiks scheint in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen zu sein. Auch die Sympathie für prominente Aushängeschilder wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer scheint nachzulassen. Wie erklären Sie sich das?
Der Rückgang der Teilnahme kann durch die Ausdifferenzierung der Bewegung erklärt werden. Aber auch damit, dass inzwischen klarer geworden ist: Klimaschutz ist ein Konflikt- und kein Konsensthema. Konflikte gibt es vor allem zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.
Woran liegt es, dass gerade junge Menschen heute weniger auf die Strasse gehen?
Das würde ich auch auf diese Konflikthaftigkeit des Themas zurückführen, dass es sozusagen kein Konsensthema mehr ist. Früher konnte man sagen, man ist für Klimaschutz. Das war schon eine politische Position. Mittlerweile ist es keine politische Position mehr, weil das quasi bis auf die äusserste Rechte Konsens ist.
Das ist kein Thema, das man einfach ausblenden kann, wenn man keine Lust mehr darauf hat.
Die Frage ist eher, wie man Klimaschutz machen möchte oder was wirklicher Klimaschutz ist. Genau hier ergeben sich wirkliche Interessen, die insbesondere auch ökonomische Interessen betreffen. Und das ist natürlich nicht mehr ganz so konsensfähig wie ganz allgemeine Formulierungen, etwa dass Klimaschutz notwendig ist.
Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Klimathematik in der Gesellschaft? Hat sich bereits eine Klimamüdigkeit eingeschlichen?
Das ist kein Thema, das man einfach ausblenden kann, wenn man keine Lust mehr darauf hat. Es gibt teilweise einen Überdruss an bestimmten Aktionsformen, die als störend wahrgenommen werden, gerade weil man das Thema eigentlich gerne verdrängen möchte.
Aber ganz fernhalten lässt sich das Thema einfach aufgrund seiner sich immer weiter zuspitzenden Dringlichkeit nicht. Selbst wenn man das gerne möchte.
Das Gespräch führte Simon Burri.