In vielen Städten der Welt ist es am Freitag zu Demonstrationen und Streiks für eine griffigere Klimapolitik gekommen. Auch in der Schweiz; mehrere Hundert Personen waren es in Bern, in Aarau waren es ähnlich viele. In Luzern gingen schätzungsweise 150 bis 200 Menschen auf die Strasse, in St. Gallen waren es bei Demonstrationsbeginn rund 50. Einzig in Zürich waren es etwas mehr als Tausend Demonstrierende.
Bereits in der Vergangenheit kam es zu diesen «Globalen Klimastreiks», seit dem 15. März 2019 finden sie mehrmals pro Jahr statt. Die Forderungen haben sich in den Grundzügen seither nicht verändert: Es geht um das Einstehen für unseren Planeten.
Die Pandemie als Zäsur
Der erste «Globale Klimastreik» war vor ziemlich genau vier Jahren. Damals sah die Situation ganz anders aus. Zehntausende Jugendliche demonstrierten am 15. März 2019 in vielen Schweizer Städten für mehr Klimaschutz. In Bern und Lausanne waren es rund 10'000 Teilnehmende, in Zürich sollen es gemäss Organisatorinnen und Organisatoren sogar 12'000 gewesen sein. Ein paar Monate später waren es in Bern fast 100'000.
Seither hat ein Rückgang eingesetzt. Warum? Ein Teil der Antwort: Die Klimajugend hat ein Kommunikationsproblem. Das sagt Dario Siegen, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) der Universität Zürich. «Als die Bewegung vor allem 2019 viel Momentum hatte, waren Klimathemen dominierend in den Medien», sagt er. «Doch dann kam die Pandemie.»
In der Medienlandschaft gilt: Themen stehen in Wettbewerb zueinander. Je mehr Ereignisse mit grosser Relevanz geschehen, desto härter ist dieser Kampf um die begrenzte Aufmerksamkeit. Und kein anderes Thema hat die Medien in den vergangenen Jahrzehnten wohl derart stark in Beschlag genommen wie die Corona-Pandemie. «Das können wir auch statistisch unterlegen», erklärt Siegen.
Opfer des eigenen Erfolgs
Sobald die Pandemie in der Schweiz durchgestanden war, entschied der russische Präsident Wladimir Putin, die Ukraine anzugreifen. «Das Muster wiederholt sich», sagt Siegen. Wieder werden Klimathemen von anderen Ereignissen in den Medien verdrängt. Siegen hebt aber auch hervor: «Die Klimabewegung schafft es nicht, Verknüpfungen zu diesen Themen medial herzustellen.» Oder anders formuliert: Geländegewinne und Kriegsmaterial-Lieferungen interessieren im Kontext des Kriegs in der Ukraine mehr als die Renaissance der Kohle als umweltschädlicher Energieträger.
Auch Cloé Jans sieht diese Konkurrenz. Die Politologin des auf Politik- und Kommunikationsforschung spezialisierte Unternehmens GFS Bern fügt aber noch einen weiteren Punkt hinzu: «Es liegt in der Natur von Bewegungen, dass sie nicht immer zu gleichen Massen mobilisieren können.» Die Mobilisierung über längere Zeit am Laufen zu halten, sei schwierig – genau dies sehe man auch beim Klimastreik.
Die Bewegung ist nicht am Ende.
Nun stehen im Herbst eidgenössische Wahlen an. Letztes Mal hatte der Klimastreik eine «grüne Welle» befeuert. Jans sagt: «Die Klimabewegung hat das gleiche Problem wie die Grünen selber: Das Thema ist nicht mehr gleich dominant wie vor vier Jahren.»
Egal, wie man es dreht und wendet: Die Welt wurde seit 2019 von zwei Zäsuren heimgesucht – der Klimawandel ist in den Hintergrund gerückt. Und doch betont Jans: «Die Bewegung ist nicht am Ende. Dafür ist der Problemdruck in der Bevölkerung ganz klar viel zu gross.»