Ein jahrelanges politisches Hickhack geht zu Ende. Der St. Galler Kantonsrat stimmt mit 79 Nein- zu 35 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung gegen ein Eintreten des 14. Nachtrags im Mittelschulgesetz, das heisst: Die «Lex Klimastreik» und das damit verbundene strengere Absenzenregime für Mittelschülerinnen und Mittelschüler kommt nicht.
Beim Nachtrag ging es darum, erlaubte und explizit nicht erlaubte Absenzengründe gesetzlich festzuhalten. So sollte im Gesetz verankert sein, dass keine Absenzen für politische Veranstaltungen wie Klimastreiks, beispielsweise der «Fridays for Future», bewilligt werden dürfen. Am Ursprung stand eine SVP-Motion aus dem Jahr 2019.
Aus einer scheinbar einfachen Frage wurde eine Diskussion um Grundrechte. «Unnötig, undemokratisch, und mit Blick auf die Bundesverfassung höchst kritisch», sagte die St. Galler Kantonsrätin Jeannette Losa (Grüne) zum Nachtrag. Die Argumente der Gegner waren oft unisono: Das Recht auf freie Meinungsäusserung und das Streikrecht dürfe nicht beschnitten werden.
Auf Befürworterseite standen vor allem bürgerliche Kreise, namentlich die SVP- und die Mitte/EVP-Fraktion. Die Voten da: Dieses Gebaren gehört gestoppt, es könne nicht sein, dass Schüler wegen Streikteilnahmen dem Unterricht bewilligt fernbleiben dürfen.
Doch der Kantonsrat entschied sich für Nichteintreten auf den Gesetzesnachtrag. Das entspricht dem Antrag der vorberatenden Kommission. Die Regelung des Absenzenwesens soll Sache des Rektorats bleiben. Die letzten vier Jahre bezüglich dieses Themas waren ein Leerlauf – nach vielen Pro-Stimmen 2019 für die Motion geht der Nachtrag nun bachab.
Beteiligungsangebote oft weit weg
Die Diskussion führte offenbar nicht zu einer Politik-Verdrossenheit. Eine Studie im Auftrag der eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen untersuchte kürzlich, was Jugendliche motiviert, sich politisch zu beteiligen. Die Befragung zeigt: Drei Viertel der Befragten können sich eine Zukunft mit stärkerer politischer Beteiligung vorstellen.
Die Hürden sind laut ZHAW-Studienleiterin Susanne Nef divers. Da gebe es den privaten Hintergrund: Je bildungsferner ein Elternhaus, desto weniger politisch gebildet auch die Kinder. Dann seien Angebote zur Mitsprache oft zu weit weg von den Lebenswelten der Jugendlichen. Sprich: zu wenig digital.
Jugendliche Anliegen ernster nehmen
Besonders demotivierend seien Alibi-Übungen und Scheinmitsprache, sagt Nef: «Die Frage ist: Konnten sie mitsprechen oder konnten sie einfach abnicken?» Weiter seien Jugendliche nicht nur zukünftige Wählerinnen und Wähler, sondern man müsse sie ernst nehmen: «Das Engagement der Jugend ist keine Pflicht, sondern ein Recht. Wie müssen wir unsere Strukturen anpassen, dass Jugendliche dieses Recht auch wahrnehmen?»
Das Engagement der Jugendlichen ist keine Pflicht, sondern ein Recht.
Der Schlüssel dafür sei eine gute Bildung, eine niedrige Schwelle zu einer echten Mitsprache sowie weniger Schubladen-Denken von Erwachsenen, heisst es in der Studie. Dann sei die Jugend politisch motiviert und engagiert.
Die hitzige Diskussion in St. Gallen jedenfalls ist mit dem Entscheid des Parlaments beendet. Mittelschüler dürfen weiterhin im Unterricht fehlen, wenn sie an Klimastreiks und Ähnlichem teilnehmen.