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Der Philosophische Stammtisch: Das Ende der vierten Gewalt?
Aus Sternstunde Philosophie vom 08.04.2018.
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Fake-News-Falle Social Media? «Wir sollten Facebook und Twitter aus unserem Leben entfernen!»

Welche Rolle spielen traditionelle Medien heute noch in der Wahrheitsfindung? Was können wir tun, um nicht in die Fake-News-Falle zu tappen? Die Kulturphilosophin Catherine Newmark über den richtigen Umgang mit den sozialen Medien.

Catherine Newmark

Philosophin und Kulturjournalistin

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Catherine Newmark ist Philosophin und Kulturjournalistin und lebt in Berlin. Sie ist verantwortlich für die Sonderausgaben des Philosophie Magazins.

SRF: Wird im Netz ein Kommentar, der auf falschen Fakten basiert, aus der Kommentarspalte gelöscht oder nicht publiziert, heisst es oft: «Schon wieder diese Meinungszensur!» Eine Tendenz, die zunimmt?

Catherine Newmark: Tatsächlich ist in den letzten Jahren der quasi-metaphorische Gebrauch des Wortes «Zensur» wieder in Mode gekommen. Zumeist im Sinne einer Beschwerde, weil die Veröffentlichung einer kontroversen Meinung Reaktionen hervorruft oder ein unflätiger Kommentar von einer Online-Redaktion wieder gelöscht wird.

Natürlich ist es kein Kulturfortschritt, dass heutzutage die Höflichkeit auf der Strecke bleibt und schnell Sätze wie «Du Depp! Halt die Schnauze!» gepostet werden. Trotzdem ist es natürlich grober Unfug, hier von Zensur zu sprechen. Wer sich öffentlich äussert, muss immer mit Meinungsverschiedenheiten rechnen.

Ausserdem umfasst das Recht, eine Meinung zu äussern, nicht das Recht, sie an einem bestimmten Ort unterzubringen. Vor allem, wenn sie den selbst gegebenen Anstandsregeln, der sogenannten «Netiquette», eines Medienbetreibers zuwiderläuft.

Könnte man nicht sagen: So viel Polemik muss eine Gesellschaft doch aushalten können?

Gerade wenn wir über öffentliche Debatten reden, muss eine Gesellschaft kontroverse Meinungen aushalten. Allerdings gibt es auch polemische Äusserungen, die von Anfang an nicht auf einen vernünftigen Meinungsaustausch zielen, sondern nur mittels kalkulierter Provokation auf die von ihnen ausgelöste Empörung spekulieren.

Man denke nur an einen grossen Teil des Twitter-Oeuvres von Donald Trump. In solchen Fällen ist Gegenrede natürlich zwecklos.

Man sollte bei Provokationen also auf eine Antwort verzichten?

Ignorieren scheint mir die bessere Option als Empörung. Vielleicht nicht immer, aber jedenfalls viel häufiger, als es derzeit der Fall ist.

Die sozialen Medien laufen den traditionellen Medien den Rang ab. Welche Folgen hat das für die Demokratie?

Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Die Inhalte, die in den sozialen Medien geteilt werden, kommen weiterhin in hohem Umfang aus den traditionellen Medien. Es gibt da eine interessante Verzahnung.

Trotzdem ist es in Zeiten von Fake News für den User schwieriger zu unterscheiden, was wahr und was falsch ist. Was können wir denn überhaupt noch glauben?

Das Gleiche wie vorher: seriös Recherchiertes von glaubwürdigen Quellen. So richtig schwierig ist es eigentlich nicht, die Quelle eines Facebook-Eintrages zu prüfen und dann für sich zu entscheiden, ob man sie für zuverlässig hält.

Es ist klar, dass Meinungsmonokultur vorhandene Meinungen extremer werden lässt.

«Für zuverlässig halten» ist übrigens nicht nur eine Frage subjektiven Ermessens, sondern es gibt durchaus objektive Kriterien für seriös arbeitende Medien.

Das fängt beim Tonfall an und hört beim – durchaus erwerbbaren – Wissen über Arbeitsabläufe und Qualitätssicherungsmechanismen in einzelnen Medienhäusern auf.

Dennoch wird die Quellenlage – vor allem auch in den sozialen Medien – undurchsichtiger, was zur Folge hat, dass wir die sogenannte «Filterblase» nicht mehr bemerken.

Es ist hinlänglich klar, dass Meinungsmonokultur vorhandene Meinungen extremer werden lässt. Und je extremer die Meinungen in einer Gesellschaft sind, desto schwieriger wird es, den gemeinsamen Boden für das Aushandeln von Interessenskonflikten zu finden.

Mündigkeit im Sinne der Aufklärung ist eine nie endende Aufgabe.

Wenn nun der Algorithmus eines Social-Media-Kanals nur noch «more of the same» anbietet, müsste ich wachsam werden. Bei einer Qualitätszeitung lese ich zwar auch nur ein paar Artikel. Dennoch nehme ich nebenbei auch noch einen ganz anderen Teil der Realität wahr.

Twitter-Vögeln auf einer Tapete. Ein Twitter-Vögelchen ist in einem Käfig eingesperrt.
Legende: Sollen wir uns von Twitter lösen, um frei zu sein? Andrea Ucini / AGoodson

Somit sind wir selber schuld, wenn wir in die Falle tappen. Es ist also mehr eine Holschuld unsererseits als eine Bringschuld der Medien?

Eigentlich lässt sich nur eine Schlussfolgerung ziehen: Wir sollten Facebook und Twitter aus unserem Leben entfernen. Aber es ist da wohl wie mit Candy Crush und Gummibärchen: Da wissen wir auch, dass sie uns nicht guttun. Aber es gibt sie nun mal, und wir kommen davon nicht so richtig weg.

Was können wir denn als Leser tun, um zu wahren, seriösen Informationen zu gelangen?

Mündigkeit im Sinne der Aufklärung ist eine nie endende Aufgabe. Die Freiheit, die wir in westlichen Demokratien geniessen, geht logischerweise mit Verantwortung einher.

Angesichts der Explosion des Wissens und Nichtwissens, die dank des Internets immer nur einen Klick weit entfernt ist, bleibt es schwierig, sich ernsthaft zu informieren.

Aber letztlich ist es eine Frage der Bildung – und mithin auch eine Frage des Bildungssystems und der Ressourcen, die wir in Bildung investieren.

Das bedeutet aber auch: Medien brauchen Geld – sprich auch Abonnenten, um seriösen Journalismus zu betreiben?

Der Angriff auf Medien, den man derzeit vor allem aus dem rechtspopulistischen Spektrum wahrnimmt, kann möglicherweise zu einem Aufwacherlebnis führen.

Zumindest in den USA gab es ja nach Trumps Wahl und seinen wiederholten Angriffen auf die Pressefreiheit für die traditionellen Qualitätsmedien einen sogenannten «Trump Bump» – also einen Wiederanstieg der sinkenden Abonnentenzahlen.

Das Gespräch führte Markus Matzner.

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