«Vo wo chunt ds ‹Mattetäneli›? Was für e Gschicht steckt hinter em Wort ‹verbunggle›?» Radio-Hörerinnen und Hörer stellen viele Fragen an den SRF Mundart-Briefkasten. Vor allem Wörter interessieren dabei.
«Mundart ist wie Fussball»
Im Schweizerdeutschen sind Wörter mehr als nur Einheiten der Umgangssprache: Sie sprechen Emotionen an. «Wörter geben uns Nähe, Identität und Heimatgefühl», sagt Gabriela Bart, Redaktorin beim Schweizerischen Idiotikon.
Auf den Erfolg und die Beliebtheit des Briefkastens angesprochen, sagt auch Markus Gasser, Leiter der SRF-Mundartredaktion: «Mundart ist wie Fussball oder Kulinarik: Sie liegt uns am Herzen. Wir alle sind Spezialisten, haben eine Meinung, haben Fragen.» Bei fast jedem Kontakt mit Leuten, die nicht die gleiche Mundart reden, wird man mit Dialekt-Stereotypen konfrontiert.
Grammatik wäre eigentlich wichtiger
Wörter fallen auf. Sie interessieren viel mehr als die Grammatik. «Grammatik tönt nach Schule und ist blöd», schmunzelt Martin Graf, Redaktor beim Schweizerischen Idiotikon. «Wörter sind fassbarer und an konkrete Sachen gekoppelt.»
Dabei würden Lautung, Betonung, Wort- oder Satzbau viel mehr über Mundarten aussagen. Solche sprachlichen Phänomene sind auch viel stabiler und sorgen dafür, dass die Mundarten am Leben bleiben. Sie existieren einfach, ohne dass man sie immer problematisiert.
Wird hingegen ein schweizerdeutsches Wort nicht mehr gebraucht (das «Ross» wird zu «Pferd», «plegere» zu «chille» ) geht man sofort davon aus, dass die Mundart bald ausstirbt.
Konflikt der Generationen
Dabei probieren gerade Junge gern aus, übernehmen schnell Wörter aus anderen Sprachen und Dialekten und vermischen diese Zugaben zu einem eigenen Menü. Jugendsprachliche Phänomene sind bei der älteren Generation nicht beliebt. Diese orientiert sich sprachlich oft eher rückwärts – nach der Sprache ihrer Eltern oder Grosseltern.
Das Phänomen hat der Linguist Charles F. Hockett «age-grading» genannt: Man verhält sich sprachlich so, wie es seinem Alter entspricht. Wer dies durchbricht, fällt aus dem Rahmen.
Eine ältere Frau, die von «huereguet» und «chille» spricht, fällt auf. Martin Graf hat umgekehrt an seinen kasperli-hörenden Kindern gemerkt, dass sie plötzlich von «böimigi Idee» und «schüli guet» sprechen. «Ihre Sprache der 1970er-Jahre ist für mich voller Nostalgie», sagt Idiotikon-Redaktor Graf.
Lehnwörter brauchen Zeit
Interessant sind auch Lehnwörter. Auch über Sprachgrenzen hinweg wird nachgeahmt und übernommen. Das wird aber allgemein nicht so gern gesehen. Wörter sollen möglichst rein von fremden Einflüssen sein.
Aktuell sind Teutonismen und Anglizismen unbeliebt. Hingegen sind früher eingewanderte französische («Trottoir, Billet, moderiere, plagiere») oder lateinische Lehnwörter («Chäller, Chuchi, Muur, d'Ex») längst als Schweizerdeutsch akzeptiert.
Egal, aus welcher Zeit oder aus welcher Sprache ein Wort stammt: Wir wollen wissen, woher es kommt. Dieser Gwunder hilft dem «Schnabelweid»-Briefkasten – und den Gwundernasen.
Ach ja: «Mattetäneli» ist eines von Dutzenden Wörtern für «Schlüsselblume». Und «verbungglet» ist lautmalend für «zerknittert».