Die belgische Regisseurin Nathalie Basteyns sitzt seit acht Jahren im Rollstuhl und hat genug davon. Sie möchte wieder gehen können und träumt von einem Wunder: «Ich glaube nicht an Gott, aber manchmal ist der Glaube die einzige Hoffnung.»
Und so macht sich Basteyns zusammen mit der Fotografin Lieve Blancquaert und ihrem Pfleger Gustave Dikumueni auf den Weg nach Lourdes.
Sie bleibt skeptisch
Die Kamera ist stets mit dabei, Basteyns ist Regisseurin und Protagonistin zugleich. Sie ist eine dankbare Protagonistin, denn sie bleibt den ganzen Film über skeptisch. Warum sollte ausgerechnet sie, die MS-Patientin, am Ende dieser Pilgerreise wieder gehen können, fragt sie sich. Andererseits geschehen in Lourdes tatsächlich Wunder. 70 von ihnen hat die römisch-katholische Kirche offiziell anerkannt.
Wunder Nummer 70 heisst Bernadette Moriau. Das belgische Trio besucht sie auf seinem Trip in den Süden. Eindrücklich schildert die Frau, die jahrzehntelang kaum gehen konnte und auf Morphium angewiesen war, wie sie nach einem Besuch in Lourdes eines Tages ihre Gehhilfen zur Seite legte und einen langen Waldspaziergang machen konnte.
Es mache nichts, wenn sie nicht gläubig sei, sagt Moriau zu Basteyns. Aber sie solle Maria doch darum bitten, Fürsprache für sie einzulegen.
Das wird Basteyns auch machen. Doch zuerst macht sie all das, was sie sonst nie machen kann. Mit der Hilfe eines speziellen Sitzes auf Skiern fährt sie Ski, sie geht fliegen, in dem sie an einem Geschirr in einen Windkanal gehängt wird, sie nimmt halluzinogene Pilze, besucht einen buddhistischen Tempel, einen Neurologen, einen Spezialisten zur Schmerzbewältigung und lernt zu meditieren.
Der Ort für Hoffnungslose
Als das Trio schliesslich in Lourdes eintrifft, fallen Basteyns zuerst die vielen Rollstühle auf und sie erzählt, wie sich ein Strandurlaub anfühlt. Ihre Partnerin und die Kinder rennen ins Meer, spielen Ball und haben eine gute Zeit, «und ich sitze da in meinem Rollstuhl, drei, vier, fünf Stunden». Es sei demütigend, dass man immer geschoben werden muss.
«Gäbe es nicht so viele Hoffnungslose, gäbe es Lourdes nicht», sagt Basteyns im Film. Es sei notwendig, dass es solche Orte gebe, sie aber wolle unbedingt noch ans Meer. Denn ihr heimlicher Plan wäre von Anfang an gewesen: Würde sie tatsächlich wieder gehen können, würde sie ihre Kinder anrufen, auflegen und ins Meer hüpfen. Doch sie wird nicht Wunder Nummer 71.
Immerhin die Augen geöffnet
Der Trip nach Lourdes habe ihr Leben nicht verändert, sagt Basteyns: «Ich kann noch immer nicht laufen.» Aber er hätte ihr trotzdem die Augen geöffnet. Sie könne nun akzeptieren, dass sie im Rollstuhl sei, und dass manche Tage besser sind als andere. Das klinge total banal, aber es sei wichtig, sein Schicksal anzunehmen und das Beste draus zu machen.
«Ein paar Minuten pro Tag von aussen auf sein Leben blicken, hinterfragen, analysieren.» Und, schiebt sie noch nach, sie habe begonnen zu meditieren. Genauso wie sie es während der Dreharbeiten gelernt hat.
Einatmen, ausatmen, die Gedanken abschalten.