Finanziert der türkische Präsident Erdogan Schweizer Moscheen? Mischt Saudi-Arabien in hiesigen Gebetsräumen mit? Fragen wie diese bieten politischen Zündstoff.
Erst im März hat der Nationalrat eine Motion von SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor abgelehnt. Addor wollte die Finanzierung von Moscheen durch Staaten verbieten, die mutmasslich terroristische Gruppierungen unterstützen. Oder die Menschenrechte nicht respektieren. Der Vorstoss fand Gehör, aber keine Mehrheit. Er unterlag knapp mit 91 zu 95 Stimmen.
Transparenz und Dunkelziffer
Welche Moscheen vom Ausland unterstützt werden, ist unklar. Vereine müssen in der Schweiz ihre Finanzen nicht offenlegen.
Wer Moscheen kontaktiert, erlebt zweierlei: Musliminnen und Muslime, die Vorurteile abbauen wollen und Einblick in ihre Konten geben. Und Moscheen und Stiftungen, die sich abschotten und jegliche Auskunft verweigern. So bleibt eine Dunkelziffer.
Zürcher Moschee erhält 200’000 Franken aus Abu Dhabi
Gesicherte Hinweise gibt es für die Deutschschweiz nur mit Blick auf die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Botschafter der Emirate in Bern ist ein jovialer Mann mit langem Namen: Mohamed Sultan Abdullah Al Owais Alshamsi.
Ein Diplomat, der Komplimente macht, aufmerksam zuhört und sich für die Schweiz begeistert. Er bestätigt: Abu Dhabi zahle jährlich rund 200’000 Franken an die Zürcher Moschee in der Rötelstrasse. Auch die Liegenschaft gehöre den Emiraten.
Moschee plant Anbau – der Scheich zahlt
Der Botschafter betont, wie intensiv er mit den Schweizer Behörden zusammenarbeite. Wegen der Debatte im Nationalrat habe er nachgefragt, ob die Überweisungen in Ordnung gingen. Die Antwort: Ja. Neuerdings hat der Diplomat aber nicht nur mit Bundesbern zu tun, sondern auch mit der Stadt Zürich.
Denn die Moschee in der Rötelstrasse hat ihre besten Jahre hinter sich. Sie ist zu klein geworden und soll einen Anbau bekommen. Wann der Bau beginnt, ist unklar. Das Zürcher Hochbaudepartement bestätigt: Es fehle noch ein Dokument, dann stehe der Baufreigabe nichts mehr im Weg.
Kein politischer Einfluss vom Persischen Golf
Klar ist: Finanziert wird der Anbau von den Emiraten. Was aber hat der Scheich in Abu Dhabi von einer Moschee in Zürich? Der Botschafter verweist auf die Religionsfreiheit. So wie der Schweizer Bischof von Arabien, Paul Hinder, in Abu Dhabi Kirchen baue und Christen zum Gottesdienst einlade, so sollten auch Muslime in der Schweiz eine religiöse Heimat haben.
Politische Ziele seien damit nicht verbunden. Sein Land übe keinen Einfluss auf die Moschee aus. Hinter der Moschee in der Rötelstrasse steht die Stiftung Islamische Gemeinschaft Zürich. Laut Website wird von den neun Stiftungsräten nur einer von den Emiraten ernannt.
Abu Dhabi wählt den Imam aus
Die Moschee in der Rötelstrasse steht allen offen, hat aber vor allem arabischsprachige Besucher: Muslime aus Ägypten, Algerien, Tunesien, Marokko, Somalia und Eritrea. Die einzige direkte Einflussnahme sieht der Botschafter in der Auswahl des Seelsorgers.
Der Imam, der in der Zürcher Rötelstrasse arbeitet, werde von Abu Dhabi ausgewählt und dort genau gecheckt. Der Botschafter betont: Niemals würden die Emirate einen Extremisten engagieren oder jemanden, der die Schweizer Verfassung missachte.
Kontostand: 213’308 Franken
Mit 200’000 Franken übernehme die Botschaft den Löwenanteil der Moschee-Ausgaben: Imam, Abwart, laufende Kosten. Hinzu kämen Beiträge der Moschee-Besucher. Im Eingangsbereich der Moschee ist ein Kontoauszug aufgehängt. Für alle gut sichtbar: Der Kontostand am 01.06.2018 beträgt 213’308 Franken. Im Vorraum steht auch eine Spendenkasse.
Die Moschee in der Rötelstrasse sei das einzige Gotteshaus, das die Emirate in der Schweiz unterstützten, sagt der Botschafter.
Türkei bezahlt 35 Imame in der Schweiz
Mit ganz anderen Dimensionen hat es sein Kollege von der türkischen Botschaft zu tun. Allerdings steht Ankaras Emissär Ilhan Saygili nicht für ein Gespräch zur Verfügung.
Schriftlich teilte die «Abteilung für religiöse Angelegenheiten» der Botschaft in Bern mit, «religiöse Betreuungspersonen» würden «aus der Türkei entsendet und entlohnt». Zurzeit sind nach SRF-Informationen 35 hauptamtliche Imame in der Schweiz tätig – ausgewählt, entsandt und zum Grossteil bezahlt vom türkischen Staat.
Wie viel die türkischen Imame in der Schweiz verdienen, ist unklar. Beim Lohn haben die Behörden aber ein Wörtchen mitzureden – denn die Imame kommen aus sogenannten Drittstaaten und brauchen eine Arbeitsbewilligung.
Ein Imam verdient um die 60’000 Franken
«Kantone und Bund setzen orts-, berufs- und branchenübliche Löhne voraus», teilt das Staatssekretariat für Migration mit. Der albanische Moscheeverein in Glarus bekam als Messlatte ein Jahresgehalt von 60’000 Franken genannt. Derselbe Betrag sei auch für türkische Imame plausibel, sagen Moscheegänger. In anderen Kantonen verdient ein Imam auch mal 75’000 Franken.
Wer die Arbeit der türkischen Imame in der Schweiz koordiniert, ist unklar. Die Fäden dürften bei der Botschaft in Bern zusammenlaufen – und bei der Türkisch-Islamischen Stiftung für die Schweiz (TISS) in Zürich.
Wie eng die TISS mit der türkischen Politik verbunden ist, zeigt der Name der Website: diyanet.ch. So heisst auch das türkische Amt für religiöse Angelegenheiten, das dem türkischen Ministerpräsidenten direkt unterstellt ist.
Erdogan-Vertrauter ist TISS-Präsident
Über die Verbindung zwischen Diyanet in Ankara und Zürich sagt TISS-Geschäftsführer Zafer Terkesli: «Wir haben eine geistige Verbindung. Es geht um Meinungsaustausch in religiösen Fragen.»
Es gibt aber auch eine personelle Verbindung: Erdogans Mann für Religionsfragen, Diyanet-Chef Ali Erbas, ist laut Schweizer Handelsregister auch Präsident des Stiftungsrates der TISS.
Der Geschäftsführer Zafer Terkesli betont, er habe mit der türkischen Botschaft keine Absprachen getroffen. Das Eidgenössische Departement des Innern habe vielmehr «die TISS angewiesen, dass der Religionsattaché der türkischen Botschaft in Bern nicht im Stiftungsrat mitwirken dürfe», sagt Terkesli.
Schaffhauser Moschee erhält keinen Kredit
Die enge Verbindung von Religion und Politik wird wegen Erdogans autoritärer Agenda argwöhnisch beäugt. Das bekommt auch Ibrahim Tas zu spüren, Vorstandsmitglied der Aksa-Moschee in Schaffhausen.
Seine Moschee ist so ziemlich das Gegenteil vom prächtigen Gotteshaus in Jerusalem mit demselben Namen: Statt auf dem berühmten Tempelberg steht sie im Industriegebiet. Die Mauern sind kein Steinpalast, sondern ein altes Wohnhaus.
Dennoch ist sie populär: Freitags und an Feiertagen finden nicht alle Gläubigen Platz. Ibrahim Tas will das mit einem Neubau ändern. Zunächst hatte der Moscheeverein einen Kredit in Aussicht. Doch als Medien das Projekt «Erdogan-Moschee» nannten, seien die Banken wieder abgesprungen.
«Wir sind Schaffhauser Muslime»
Das Bauvorhaben in Schaffhausen beziffert Ibrahim Tas auf zwei Millionen Franken. Rund 300’000 Franken Kapital habe der Moscheeverein bereits in der Schweiz gesammelt, für den Rest suche er noch einen Kredit. Der werde dann ebenfalls mit Schweizer Spenden abbezahlt – und nicht mit türkischem Geld.
«Dafür lege ich meine Hand ins Feuer», sagt Ibrahim Tas. Nur der Imam werde vom türkischen Staat entlohnt – mehr nicht. «Wir wollen unabhängig sein. Wir sind Schaffhauser Muslime. Und das wollen wir auch bleiben», sagt der SP-Politiker.
Halbmond in den Glarner Alpen
Schwierigkeiten bei der Kreditsuche hatte auch Irfan Lika. Er ist Präsident der Islamischen Gemeinschaft in Netstal (Glarus). Als die Pläne für den Moschee-Neubau bekannt wurden, habe es Skepsis und Gegenwind gegeben. Ganz nach dem Motto: Der Halbmond passe nicht in die Glarner Alpen.
«Das hat uns angespornt», berichtet Lika – auch wenn zunächst eine Bank nach der anderen abgesprungen sei. Er habe einen regionalen Banker angerufen, den er von früher kannte. «Er hat sich für uns eingesetzt und wir haben den Kredit bekommen.»
Albaner, Kosovaren und Mazedonier
Mittlerweile ist Lika stolzer Hausherr einer Moschee unweit des Bahnhofs in Netstal. «Wir sind alles Albaner», sagt Lika und lacht. Wenn er von Albanern spricht, meint er auch Kosovaren und Mazedonier. Die meisten Moschee-Mitglieder arbeiteten auf dem Bau oder im Handwerk, erzählt er. «So konnten wir die Baukosten senken», sagt Lika. «Samstags war hier immer Baustelle.»
Der Vereinspräsident gewährt SRF Einblick in die Finanzen. Der Imam aus dem Kosovo erhalte jährlich 60’000 Franken. Eigentlich wollte der Verein weniger zahlen, doch die Behörden hätten den Mindestlohn so festgelegt. Der Verein vermietet aber eine Wohnung an den Imam. So fliessen 15’000 Franken zurück.
Lamborghini-Fahrer spendet 41’000 Franken
Der Kredit schlage mit jährlich 150’000 Franken zu Buche. Wasser, Strom, Heizung und die laufenden Kosten umfassten etwa 35’000 Franken. Den Ausgaben von 245’000 Franken stünden Mitgliedereinnahmen von 120’000 Franken gegenüber.
Hinzu kämen die Mieteinnahmen durch den Imam. Und rund 60’000 Franken, die ehrenamtlich im Moschee-Restaurant erwirtschaftet würden. Der Rest werde durch Sonderspenden getilgt.
Am Fest Ramazan Bayram zum Ende des Ramadans würden von den Vereinsmitgliedern bis zu 20’000 Franken gespendet. Ein Mitglied sei ein erfolgreicher Unternehmer und habe sogar 41’000 Franken für den Moschee-Bau gespendet. «Der fährt auch einen Lamborghini», sagt Lika.
Frauenfeld und Wil: Moschee-Bau ganz halal
Ganz ohne Kredite sind die albanischen Moscheen in Frauenfeld und Wil gebaut worden. Laut islamischem Gesetz haben sie damit einen Pluspunkt. Denn im Islam gilt eigentlich das Zinsverbot. Eine Finanzierung ohne Kredit ist somit halal, also ganz im Einklang mit dem islamischen Recht.
Ein Haus nicht auf Pump zu bauen, klingt nach einem Märchen. Für Xhelil Ramadani, Präsident der Islamischen Gemeinschaft Frauenfeld, war es hingegen harte Arbeit. Ramadani zeigt stolz auf den polierten Boden: «Marmor aus Mazedonien.»
Wer mit ihm durch die Moschee läuft, lernt viel darüber, wie man Baukosten niedrig hält. Mit Geschenken von Baufirmen, Rabatten und viel Eigenleistung.
Kein Altruismus: Investition fürs Paradies
Das war auch das Erfolgsrezept in Wil (SG). Es ist die grösste Moschee, die in letzter Zeit eröffnet wurde. Laut Vereinspräsident Abdulla Mustafa hätte der Moschee-Bau normalerweise knapp sechs Millionen Franken gekostet.
Eigenleistung und Sachspenden aus der Region drückten die Kosten auf 3,6 Millionen. Die stammten aus Mitgliederbeiträgen, Spendenaktionen und Gala-Abenden.
Das Engagement für die Moschee sei nicht altruistisch, sagen die Moschee-Bauer. Denn vom Propheten Mohammed sei überliefert: «Wer für Allah eine Moschee baut, dem baut Allah ein Haus im Paradies.» Jeder Rappen für eine Moschee erhöhe demnach die Rendite im Himmel.
Transparenz – keine «Schweizer Art»
Auch weniger begüterte Moscheen betonen ihre finanzielle Autonomie. Die Moschee in Bürglen (Thurgau) finanziere sich zu 40 Prozent aus Beiträgen der Besucher, berichtet Adem Kujovic von der Stiftung Islamische Gemeinschaft Thurgau.
Der Rest komme mit Spendenaktionen zum Ramadan und Opferfest, durch Fussballturniere und Vermietung des Festsaals zusammen. Einen eigenen Imam könne sich die Moschee aber nicht leisten.
In vielen islamischen Gotteshäusern hängen die Mitgliederbeiträge öffentlich aus. Izeta Saric von der bosnischen Moschee Emmenbrücke (Luzern) hält finanzielle Transparenz nicht gerade für die «Schweizer Art». Trotzdem wolle ihr Moscheeverein auch für Nicht-Mitglieder transparent sein.
Die Listen im Eingangsbereich gehen bis ins Jahr 2003 zurück. Jeder kann sehen, wer die 300 Franken Mitgliedsbeitrag überwiesen hat. «Zwei Drittel zahlen den Jahresbeitrag regelmässig, der Rest so lala», berichtet Saric.
Islam-Kritiker profitieren von Intransparenz
Nach vielen Moschee-Besuchen in der ganzen Deutschschweiz bleibt die Frage: Was ist dran am Vorwurf der Auslands-Finanzierung? Und an der mangelnden Transparenz?
Viele Moscheen öffnen ihre Büros, geben Einblicke in Kontoauszüge und Jahresabschlüsse. Bis auf Spenden von Verwandten in Deutschland oder Mitgliedern, die ihren Lebensabend etwa im Kosovo verbringen, lassen sich keine Spenden aus dem Ausland belegen.
Es gibt auch Moschee-Vereine, die kein Sekretariat haben und hemdsärmelig geführt werden. Mangelnde Transparenz dürfte hier nicht unbedingt böser Absicht geschuldet sein, sondern fehlendem Know-how.
Einige Moscheen oder Stiftungen liessen unsere Anfrage unbeantwortet, etwa in Pratteln, Muttenz, Volketswil, Wallisellen oder Regensdorf.
Andere, wie etwa die türkische Botschaft, verweigern den Dialog bewusst. Diese Intransparenz stösst vielerorts auf Unverständnis. Und ist Wasser auf die Mühlen von Islamkritikerinnen und -kritikern. Auf Kosten jener Moscheen, die sich selbst finanzieren und sich um Transparenz bemühen.
Wie ein Kaninchenzüchterverein
Statt Alarmismus würde eine differenzierte Betrachtung helfen. Und das ehrenamtliche Engagement vieler Musliminnen und Muslime würdigen. Mit einer Mischung aus Frömmigkeit, Gottesfurcht, Teamgeist, handwerklichem Talent – und in Hoffnung auf einen Fensterplatz im Himmel – bauen sie beeindruckende Moscheen.
Differenzierung würde zeigen, dass die meisten Moscheen in der Schweiz nicht anders funktionieren als ein Briefmarkensammler- oder Kaninchenzüchterverein, der sich über Mitgliederbeiträge, Feste und das Rühren der Werbetrommel finanziert.
Im Einklang mit Schweizer Recht
Und Differenzierung würde einräumen: Selbst eine Finanzierung durch die Türkei und die Golfstaaten ist im Einklang mit Schweizer Recht. Und an dem wollen die Volksvertreterinnen und Volksvertreter nichts ändern.
Freilich, zuletzt war die Mehrheit im Nationalrat knapp. Wenn die bislang verschlossenen Moscheen und Stiftungen nicht mehr Transparenz schaffen, dürfte das Thema Finanzierung weiterhin für Diskussionen sorgen.