In der Schweiz gibt es rund 54 Shoah-Mahnmale: etwa die Gedenkstätte in Riehen oder das Denkmal auf dem jüdischen Friedhof in Bern. Jüngste Aktion sind die Zürcher «Stolpersteine». Die in goldene Messingtafeln eingravierte Namen von Schweizer KZ-Häftlingen wurden dort in den Asphalt einbetoniert, wo die Opfer des Holocaust zuletzt gelebt haben.
Diese Mahnmale basieren primär auf privaten Initiativen. Eine offizielle Gedenkstätte gibt es in der Schweiz bisher noch nicht.
Forderung nach offiziellem Schweizer Mahnmal
Vor zwei Jahren haben deshalb, anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktags, jüdische Organisationen und die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft ein offizielles Schweizer Mahnmal gefordert. Parallel dazu liefen Anstrengungen der Auslandschweizer-Organisation, der Schweizer Opfer zu gedenken.
Vertreter des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, der Auslandschweizer-Organisation, der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft Schweiz, des Archivs für Zeitgeschichte und des Zentrums für Jüdische Studien der Universität Basel haben ein Konzept für ein Denkmal skizziert.
Ein Denkmal für die Erinnerungskultur
Darin fordern sie, dass den Opfern des Nationalsozialismus und des Holocaust Tribut geschenkt wird: Allen Verfolgten, Entrechteten und Ermordeten, Jüdinnen, Schweizern, verfolgten Minderheiten, politischen Oppositionellen, wie auch die an der Grenze zurückgewiesenen Flüchtlingen.
Die Gedenkstätte soll ebenfalls an jene Personen erinnern, die den Verfolgten in der Schweiz Hilfe boten.
Ein wichtiges Zeichen des Bundes
«Aus unserer Sicht sollte der Bund ein solches Denkmal finanzieren und errichten», sagt Hannah Einhaus. Die Berner Historikerin ist Präsidentin der Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft und macht sich stark für ein offizielles Mahnmal.
«Das wäre Ausdruck dafür, dass sich die Regierung zu ihrer historischen Mitverantwortung bekennt.» 2004 trat die Schweiz der Internationalen Holocaust Remembrance Alliance bei.
Dies alleinig reiche jedoch nicht, meint Einhaus: «Mit dieser Mitgliedschaft hat sich unser Land dazu verpflichtet, eine Erinnerungskultur für den Holocaust und Opfer des Nationalsozialismus zu erarbeiten.»
Jüdisch-schweizerische Geschichte
Dass es 76 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der Schweiz noch kein offizielles Denkmal gibt, führt die Historikerin auf die Schweizer Geschichtsschreibung zurück: «In den 60er-Jahren hatten Themen wie Mittäterschaft oder Mitverantwortung der Schweiz im Nationalsozialismus keinen Platz.»
Erst nach der Öffnung der Archive in den 1990er-Jahren konnte die jüdisch-schweizerische Geschichte in der NS-Zeit aufgearbeitet werden. Ausdruck davon war gemäss Einhaus das 1994 erschienene Standardwerk «Die Schweiz und die Juden» von Jacques Picard. Der Konflikt um die nachrichtenlosen Vermögen auf Schweizer Banken und Raubgold stand damals im Vordergrund.
Inzwischen leben in der Schweiz noch etwa 450 Holocaust-Überlebende. «Die Zeit ist reif für eine ehrliche Erinnerungskultur und damit auch für eine eidgenössische Gedenkstätte», sagt Einhaus.
Sensibilisierung statt Ignoranz
Die Initiantinnen hoffen, das Konzept noch in der ersten Hälfte dieses Jahres zu übergeben. In Zusammenarbeit mit den Kantonen soll der Bund dann über den Standort entscheiden. Über 100 Persönlichkeiten und Organisationen aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft unterstützen das Anliegen.
Neben einem Gedenkort erachten die Initianten auch ein Bildungsangebot als angemessen. Wie dies auszusehen hat, bleibe ebenfalls dem Bund überlassen. «Wichtig ist, dass die Menschen für die Gefahr von Antisemitismus, Rassismus und Hetze sensibilisiert werden», sagt Einhaus.