Das Wichtigste in Kürze
- Die Marke Shaolin wurde bereits vor über zehn Jahren geschützt. Mitterweile gibt es knapp zehn Geschäftszweige.
- Hinter der Kommerzialisierung der Shaolin-Tempelanlage steht Shi Yongxin – auch CEO-Mönch genannt.
- Zwischen Regierung und Shi Yongxin gab es lange Streit. Der wurde beigelegt, die Provinz-Regierung verdient mit.
Der Name Shaolin ist in der westlichen Welt sagenumwoben. Er verbindet Spiritualität mit Tradition, ist Geburtsort für den Kampfstil Kung-Fu und den Zen-Buddhismus.
Show-Kämpfer stellen auf Tourneen Kraft und Disziplin als die chinesischen Tugenden zur Schau. Sie zerschlagen Eisenstangen auf ihren Köpfen und zerbersten mit blosser Hand Backsteinziegel.
Diese Kampfkultur machte der Kult-Film «The Shaolin Temple» 1982 auch im Westen berühmt.
1.5 Millionen Touristen pro Jahr
Wenn man den heiligen Tempel in der Ortschaft Dengfeng am Fusse des ebenso heiligen Bergs Shongshan erreicht, werden romantische Vorstellungen jäh zerstört.
Tausende Touristen werden täglich hierher gekarrt, ein Rummelplatz für Verkäufer und Händler. Der Eintritt kostet 100 Yuan, etwa 15 Franken. Für chinesische Verhältnisse ist das gesalzen. Braune Schilder aus Kunststoff, die wie Holz aussehen sollen, weisen den Weg. Sie erinnern an jene im Europapark.
Längst sagen auch die Chinesen, der Shaolin-Tempel habe sich in ein Disneyland verwandelt. Shaolin hat kaum mehr mit Romantik und Spiritualität zu tun, sondern ist zum ertragreichen Geschäft für den Mönchsorden und die örtliche Regierung geworden. Mehr als 20 Millionen Franken Umsatz bringen die über 1.5 Millionen Touristen dem Tempel pro Jahr.
Patentierte Marke
Die immer reicher werdende Mittelschicht in China ist bereit, für Religion tief in die Tasche zu greifen. Der buddhistische Gelehrte Gao Xiang sagt, viele Chinesen hätten den Buddhismus falsch interpretiert: «Viele nehmen an, je mehr Geld sie bezahlen, desto besser. Das entspricht jedoch nicht den Werten des Buddhismus.»
Das scheint dem Tempel jedoch egal zu sein. Die Marke Shaolin wurde bereits vor über zehn Jahren patentiert. Mittlerweile gibt es knapp zehn Geschäftszweige.
Sie verkaufen unter dem Namen Shaolin Medizin (Dengfeng Shaolin Pharmaceutical Co.), Tee (Shaolin Tea Co.) oder bieten Erlebnistouren an. Spiritualität kann man sich in China also auch kaufen.
Zudem wurden «Zweigstellen» im Ausland unter dem Namen Shaolin eröffnet, Resorts und Hotels. Im heiligen Tempel kann man für einen durchschnittlichen, chinesischen Monatslohn (knapp 1000 Franken) 30 Tage lang Kung-Fu trainieren. Dabei werden auch die buddhistischen Werte vermittelt, heisst es.
Umstrittener «CEO-Mönch»
Hinter der Kommerzialisierung steht eine Person: Shi Yongxin – auch CEO-Mönch genannt. Der oberste Abt zieht seit über 15 Jahren geschickt die Fäden des Mönchsordens.
In China ist er nebst dem Dalai Lama der berühmteste Religionsführer. Zu seinem Bekanntheitsgrad dürften auch diverse Gerüchte, die in den Medien ausgeschlachtet wurden, beigetragen haben. Er soll Kinder gezeugt, sich mit Prostituierten umgeben und Luxuswagen gefahren haben. Auch Geldgier wurde ihm vorgeworfen.
Seit mehreren Jahren scheute Shi darum die Öffentlichkeit, vor allem die westlichen Medien. Im Shaolin Tempel empfing er SRF dennoch zu einem Interview. Es sei die Pflicht des Mönchsordens, die Botschaften und Spiritualität an die gläubigen Buddhisten weiterzugeben, verteidigt er die kommerzielle Entwicklung. Shaolin gehöre zum UNESCO-Weltkulturerbe, dies bringe auch Verantwortung mit sich.
«Nicht der Tempel ist geldgierig, sondern die Regierung»
«Nicht der Geldbetrag, welcher der Gläubige dem Tempel spendet, ist entscheidend. Entscheidend sind der Glaube und Wille, sich an die buddhistischen Werte zu halten», kommentiert er die Kommerzialisierung der Religion.
Angesprochen auf die Skandale rund um seine Person wird der Religionsführer dünnhäutig. Ihm sei es egal, was die Medien sagen. Wichtig sei nur, was die Mönche und die gläubigen Buddhisten denken. «Und die stehen hinter mir.»
Über Jahre lagen sich die Provinz-Regierung und Shi in den Haaren. Es ging um Einfluss und Geld. Zwei Drittel des Umsatzes mit dem Tempel kassiert der Staat als Grundbesitzer.
Nicht der Tempel sei geldgierig geworden, sondern die Regierung, betonte Shi stets. Dieser Streit ist hinter verschlossenen Türen wohl beigelegt worden. Es habe nie ein Konflikt bestanden, sagt er heute.
Hand in Hand
Politik und Religion haben sich anscheinend miteinander abgefunden. Zwar hat die Zentralregierung in Peking ein Gesetz entworfen, welches Gewinne mit Religion unterbinden soll. Das wird aber am Geschäft mit der Marke Shaolin nicht viel ändern, sagt der buddhistische Gelehrte Gao Xiang.
Die Provinz-Regierung verdiene zu gut an den Touristen, als dass sie dieses Gesetz auch durchsetzen würde. Religion, Geld und Spiritualität gehen in China – sehr pragmatisch – Hand in Hand.
Sendung: SRF 1, ECO, 30.1.2017, 22:25 Uhr.