Die Bilder der Flüchtlinge, die in einem LKW in Österreich erstickt sind, gehen einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf. Sie haben uns gezeigt, welches Risiko die Menschen eingehen, wenn sie sich Schleppern anvertrauen – und wie ausgeliefert sie ihnen sind. Wer körperlich dazu in der Lage ist, macht sich mittlerweile lieber alleine oder zu zweit auf den Weg durch Europa – mithilfe eines Smartphones.
Informationen via Facebook
Vassilis Tsianos, Soziologe an der Universität Hamburg, hat untersucht, wie genau eine Flucht mit dem Smartphone aussieht. Um dies herauszufinden, führte er unzählige Interviews mit Flüchtlingen und lernte so die unglaublichsten Flucht-Geschichten kennen.
Wie jene von zwei syrischen Architekten, die sich als Fahrrad-Touristen tarnten: «Sie sind zuerst illegal, mit Hilfe von Schleppern, nach Griechenland gereist. Doch dort wollten sie ihre Fingerabdrücke nicht zurücklassen, wollten nicht festgenommen werden. Also haben sie sich Fahrräder und professionelle Radfahrer-Klamotten gekauft. Die Route haben sie über Google Maps herausgefunden. So sind sie bis nach Österreich gekommen.»
Für den ersten Weg über das Meer sind die organisierten Überfahrten nach wie vor unverzichtbar. Man sei angewiesen auf Schlepper, sagt Tsianos. «Alleine ist die Überfahrt unmöglich.» Doch dann beginnt die Planung: In Facebook-Gruppen geben die bereits angekommenen Flüchtlinge ihre Erfahrungen weiter, informieren über Transportmittel, Grenzsoldaten und Schlepper.
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«Europa ist Gehen»
Einmal in Europa angekommen, machen sich die Flüchtlinge immer häufiger zu Fuss auf den Weg: anhand von weitergereichten GPS-Koordinaten von Flüchtlingen, die es bereits geschafft haben. Tsianos: «Alle Leute, mit denen ich Interviews geführt habe, sagen das gleiche: gehen, gehen, gehen. Europa ist Gehen.» Das Smartphone ersetzt dabei den Kompass, auch auf die Gefahr hin, von Grenzwachen geortet werden zu können. Laut Tsianos komme das aber nur selten vor.
Viel häufiger passiert es, dass die griechische oder bulgarische Grenzschutzpolizei die Smartphones der Flüchtlinge beschlagnahmt – was illegal ist. Ein weiteres Problem, das alle Smartphone-Nutzer kennen: ein leerer Akku. Doch auch da helfen sich die Flüchtlinge selbst: «Sie versuchen, ganz unauffällig, in einem Café eine Tasse Kaffee zu bestellen und nach einer Steckdose zu fragen», sagt Tsianos.
Einfach mal zuhause anrufen
In den Erstunterkünften herrscht dann oft digitales Niemandsland. WLAN gibt es häufig keines. Doch auch hier braucht ein Smartphone, wer seine daheimgebliebenen Angehörigen informieren möchte. Um ihnen mitzuteilen, dass man angekommen ist.