- Soziale Medien wie Facebook oder Twitter zeigen uns vor allem Inhalte, die uns interessieren. Wir leben online in einer Art «Blase».
- Andere Meinungen erreichen uns deshalb fast nicht. Das hat Einfluss auf unser Denken: Menschen, die in ihrer eigenen Welt leben, werden sturer und extremer.
- In der Schweiz besteht das Problem vor allem bei politisch klar gelagerten Wochenzeitschriften, nicht online: Deren Leser werden in ihrer Meinung radikaler.
Für die Mehrheit der Menschen sind soziale Medien Newsquelle Nummer eins: Denn laut einer Studie des US-amerikanischen Pews Instituts konsumieren 62 der US-Amerikaner Nachrichten auf sozialen Medien. Mit über 66 Prozent der User, die Nachrichten auf der Plattform lesen, führt Facebook die Rangliste an.
Das sorgt für Unbehagen. Denn soziale Medien stehen immer wieder in der Kritik, das Weltbild der User einzuschränken oder gar zu lenken. Der jüngste Vorwurf an Facebook: Das soziale Netzwerk soll konservative Nachrichtenquellen systematisch aus seinen «Trending Topics» ausgeschlossen haben.
Die böse Blase
«Filter bubble» (zu Deutsch: Filterblase) ist das Stichwort zur Kritik. Der Begriff, der vom Internetaktivisten Eli Pariser in seinem gleichnamigen Buch eingeführt wurde, beschreibt das Phänomen, dass Menschen im Internet zunehmend Nachrichten konsumieren, die ihrer Einstellung entsprechen. So tauschen wir uns beispielweise auf Facebook mit Menschen aus, die eine ähnliche Haltung haben. Kommt hinzu, dass Facebook uns vor allem Inhalte anzeigt, die uns gefallen könnten.
Damit laufen wir Gefahr, uns in sogenannten digitalen Echokammern «einzuschliessen», in der andere Meinungen ausgeblendet und wir in unserer Meinung gegenseitig bestärkt werden. Und in diesen Echokammern sturer und radikaler werden.
Radikaler durch die Echokammer?
Doch diese Gefahr hält sich in Grenzen, sagt Medienpsychologe Martin Wettstein vom IPMZ: «Echokammern sind eher ein Randgruppen-Phänomen.» Die breite Masse behalte auf sozialen Netzwerken auch mal einen alten Schulkameraden oder ein Familienmitglied mit einer konträren politischen Einstellung.
Es sei zwar empirisch nachgewiesen, dass Menschen in Echokammern in ihrer Haltung extremer würden. Auf sozialen Medien sei jedoch nur ein kleiner Teil betroffen – der schon vorher eine extreme Meinung hatte, so Wettstein.
In der Schweiz seien Echo-Kammern mehr ein Presse- statt ein Online-Phänomen, wie eine Studie vom IPMZ zeigt: Vor allem Leser von politisch klar gelagerten Wochenzeitschriften, so Wettstein, würden in ihrer Meinung radikaler.
Der Hass ist nicht kleinzureden
Dennoch hält Martin Wettstein die Radikalisierung dieser «Randgruppe» auf sozialen Medien für «bedenklich». Denn je länger sich Menschen in Echokammern aufhalten, desto mehr schotten sie sich ab, so Wettsein: «Sie entwickeln das Gefühl, dass jeder, der eine andere Meinung hat, ausserordentlich dumm oder verbohrt sein muss und es deshalb legitim ist, diese zu beschimpfen». Ein Freipass, der sich auf sozialen Medien, in Online-Kommentarspalten oder in Online-Foren in gehässigen Wortmeldungen bemerkbar macht. Eine Diskussionskultur, die das Internet erst nährt:
«Früher musste sich man mit Kleidern oder dem Sprachstil bekennen. Heute reichen ein paar Klicks, um sich in eine Echo-Kammer zu begeben», so Wettstein. Die Hürde, dass «ganz normale Leute» dort eintreten würden, sei heute tiefer. Und auch wenn Social-Media-Nutzer nicht generell in ihrer Haltung extremer werden. Kleinvieh macht auch Mist. Und sein Dunst kann betäubend sein.