Ungarn ist das Paradebeispiel. Konzerte mit «rechter Musik» sind gut besucht, in Schulbüchern findet sich immer öfter rechtes Gedankengut, auf Autos prangen Sticker mit dem Aufdruck «Grossungarn».
Auch Frankreich rückt zunehmend nach rechts. Das Land, in dem 1789 die «Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte» verkündet wurde, ist dabei, mit dem Front National eine Bewegung zur stärksten Kraft zu machen, deren Gründer ein offener Antisemit ist. Und in Polen hat die rechtskonservative Partei «Recht und Bewahrung» einen Erdrutschsieg erzielt. Erklärtes Ziel des Parteichefs ist es, aus Polen ein zweites Ungarn zu machen.
In der Schweiz hat die EU-phobe SVP weiter zugelegt, in England sitzt die europafeindliche UKIP von Nigel Farage der Regierung im Nacken, in Deutschland steigen die Werte der rechten AfD von Umfrage zu Umfrage, in Holland liegt die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders in allen Umfragen vorn. Selbst in skandinavischen Ländern wie Dänemark oder Finnland haben sich Rechte längst als starke Kräfte in den Parlamenten etabliert.
Erlebt Europa eine rechte Revolution?
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Europa erlebt etwas, was das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» als «völkische Revolution» bezeichnet. Wobei der Begriff «völkisch» sehr stark mit der Geschichte Österreich-Ungarns und des deutschen Reiches zusammenhängt. Dort gewann gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine völkische Bewegung die Oberhand, die damalige Soziologen als «Extremisten der Mitte» bezeichneten.
Völkische Organisationen, die vor allem aus Männern und Protestanten bestanden, lehnten die parlamentarische Weimarer Demokratie ab und vertraten Demokratievorstellungen, die viel mit Lebensraum und Volkstum zu tun hatten.
«China den Chinesen, die Türkei den Türken»
Dieses Konzept wird heute in rechtsextremen Kreisen vertreten, die «national befreite Zonen» fordern, also möglichst alle Ausländer weghaben wollen. «China den Chinesen, die Türkei den Türken und Deutschland den Deutschen» – das ist zum Beispiel eine Forderung, die deutsche Nationalisten erheben. Bestandteile der völkischen Bewegung in Deutschland waren übrigens immer auch Antisemitismus und Rassismus.
Und heute? Heute werden in Ungarn zum Beispiel die Schriftsteller Imre Kertész oder Péter Esterázy von der Kanzel herab als «Juden, die mit jedem ihrer Sätze das Ungarntum mit Füssen treten» gebrandmarkt.
Heute, also im abgelaufenen Jahr 2015, haben mehr als 5000 Juden Frankreich in Richtung Israel verlassen – aus Angst vor dem zunehmenden Antisemitismus der politisch Rechten und der Arabischstämmigen, die hier eine denkwürdige Koalition eingehen.
Heute sagt Polen, wenn es überhaupt Flüchtlinge aufnimmt, dann nur Christen.
Verfassungskonforme Ausgrenzung
Gerade in neuen EU-Ländern wie Ungarn und Polen fällt auf, wie man wieder nach dem eigenen, völkischen Kern sucht und jeden fremden, auch religiös anderen Einfluss als «Verunreinigung» abtut. Ungarn hat unter Ministerpräsident Orban 2012 seine Verfassung geändert.
In der Präambel ist nun die Rede von der «heiligen ungarischen Krone». Dort ist nun der «Schutz der völkischen Nation» verankert, was nichts anderes bedeutet als die verfassungskonforme Ausgrenzung bestimmter Menschengruppen.
Und Ungarn ist – wie gesagt – das Vorbildland für diverse andere europäische Rechtsbewegungen.