Die letzten 30 Seiten von Markus Morgenroths Buch nehmen Ratschläge ein. Der heutige Berater in Sachen «Chancen und Risiken von Big Data» war jahrelang im Silicon Valley tätig. Für ein Unternehmen für Datenanalyse. Sechs Jahre lang leitete er die Europaniederlassung dieser Firma. Er weiss, welche Gefahren für unsere Daten im Netz bestehen. Zur Netzabstinenz rät er nicht, denn diese gilt als absonderlich. Die «Totalvernetzung unserer Welt» sei für jeden, der nicht wie Robinson Crusoe leben wolle, «alternativlos».
Dunkle Daten-Wege
Doch Morgenroth mahnt zur Vorsicht. Oberstes Prinzip für den User müsse es sein, mit seinen persönlichen Daten umsichtig umzugehen und so sparsam wie nur möglich Persönliches preiszugeben. Denn nicht nur die NSA liest mit, auch die Arbeitskollegen, die Firma, der Nachbar, Datenhändler und Kriminelle.
Viele Informationen geben wir freiwillig preis, beispielsweise auf Social-Media-Plattformen. Was damit geschieht, wissen wir meist nicht. Denn fast niemand liest die Datenschutzrichtlinien und AGBs seines Facebook-Accounts überhaupt durch. Markus Morgenroth aber weiss, welche Wege diese Daten nehmen können. Er schöpft aus seiner Erfahrung in der Datenbranche.
Daten werden professionell abgegriffen
Mit Kundenkarten füttern wir freiwillig die Datensammlungen von Grossunternehmen. Wir inszenieren uns öffentlich auf Facebook. Diese Informationen greifen professionelle Datenhändler elektronisch ab. Sie werten Aktivitäten auf eBay aus. Und sie beuten den Verlauf unserer Suchmaschinensuche aus.
Beiträge zum Thema
- Dossier zum Thema: «Das digitale Ich» Dossier zum Thema: «Das digitale Ich»
- Wer profitiert von «Big Data»?, Sternstunde, 22.12.2013 Wer profitiert von «Big Data»?, Sternstunde, 22.12.2013
- «Big Data», Kulturplatz, 25.9.2013 «Big Data», Kulturplatz, 25.9.2013
- Die Gefahren von «Big Data», Kultur, 21.12.2013 Die Gefahren von «Big Data», Kultur, 21.12.2013
- Das Bundeskriminalamt und «Big Data», Reflexe, 10.12.2013 Das Bundeskriminalamt und «Big Data», Reflexe, 10.12.2013
- Big Data – Big Business – Big Brother, Trend, 30.11.2013 Big Data – Big Business – Big Brother, Trend, 30.11.2013
Person X hat bei einer Online-Apotheke Antidepressiva gekauft, interessiert sich für Seminare zur Behandlung von Burnout und arbeitet bei Firma XY. Die Algorithmen verknüpfen diese Informationen zu einem Persönlichkeitsprofil. Der US-Datenhändler Acxiom, der auch in Europa tätig ist, sammelt 1500 Einzelangaben pro Haushalt. 500 Millionen aktive Konsumentenprofile hat Axciom erstellt, davon 44 Millionen in Deutschland. Die Firma wisse mehr über das Leben der Amerikaner als das FBI, zitiert Markus Morgenroth die «New York Times».
Stalking, Spionage, Kriminalität
Verwendet werden diese Informationen einerseits für den gezielten und direkten Werbezugriff auf potentielle Kunden. Andererseits öffnen sie Tür und Tor für Stalking und Spionage. Stellt der mögliche zukünftige Arbeitgeber fest, dass Sie auf Facebook gerne Fotos ihrer feuchtfröhlichen Wochenendexzesse veröffentlichen oder auf Twitter extreme Kurzbotschaften posten, dürften Sie für die ausgeschriebene Stelle nicht in Frage kommen.
Zu solchen Auswertungen der Nutzerdaten kommt eine noch unerwünschtere: Organisierte Banden spähen Zugangsdaten zu Bankkonten und Online-Shopping-Accounts aus und plündern diese bzw. kaufen auf fremde Kosten ein.
Audio-visuelle Wanzen
Ein weiteres grosses Problem ist – laut Morgenroth – die Elektronik im Fernseher. Zwar können wir mittels internetfähigem Apparat unzählige Kanäle empfangen, in umgekehrter Richtung aber liefern wir den Fernsehanstalten, Geräteherstellern und anderen Kreisen Informationen über unsere Wohnung und unser Verhalten.
Die im Fernseher eingebaute Kamera ist ein Sicherheitsrisiko. Wer sich über die Datenleitung in dieses elektronische Auge hacken kann, vermag zu beobachten, was sich bei Ihnen zuhause abspielt.
Markus Morgenroth schildert erschreckende Beispiele: Einer Mutter hörte nachts aus dem Kinderzimmer eine Männerstimme, die ihr schlafendes Kind anschrie. Einfallstor war eben die Kamera im Fernseher im Zimmer der Tochter.
Morgenroth erzählt von einem Unternehmen, das für ein geringes Entgelt eine Liste alleinstehender vermögender Damen über 60 in einem bestimmten Quartier verkauft. Erstklassiges Material für Einbrecher.
Und er entlarvt auch die vermeintliche «Anonymität» von Umfragen im Netz als Lüge. Denn die Zugangsdaten bestehen aus einem Link, der einer bestimmten Person klar zugeordnet ist.
Guter Rat auf 30 Seiten
Man könnte fast paranoid werden wegen Morgenroths Buch. Seine Ausführungen sind es nicht. Sie sind fundiert und sachlich. Wir können uns der Online-Welt nicht völlig entziehen, ohne als Sonderling zu gelten. Wir müssen Wege finden, um uns der Datensammelwut von Freund und Feind so wenig auszusetzen wie nur möglich.
Auch dabei lässt einen dieses Buch auf seinen letzten 30 Seiten nicht im Stich.