«Ich bin Atheistin», sagt eine Besucherin auf der «Buch Wien», wo Mira Ungewitter ihr Buch vorstellt. «Weil ich dieselben Fragen hatte wie Ungewitter und keine Antworten bekam.» Sie wolle wissen, ob es ein anderes Christentum als das patriarchal geprägte gebe, so die Besucherin.
Mira Ungewitters Thesen und ihr Buch kommen an. Auf der Buchmesse, bei Lesungen, in den sozialen Medien. In «Gott ist Feministin – Mein Leben mit Eva, Maria und Lady Gaga» bringt sie eigene Lebenserfahrung, Popkultur und feministische Theologie zusammen.
Ein eigener Sound
Feministische Theologie ist nicht neu – aber Mira Ungewitter aktualisiert sie. Sie erzählt biblische Geschichten mit ihrem eigenen Sound, gründet dabei auf der wissenschaftlichen feministischen Auslegung.
Ihr Buch ist ein kleines pinkes Manifest, das eine diversitätsfreundliche Version des Christentums erzählt. «Es sollte noch viel mehr Pink auf dieser Welt geben», sagt die 38-Jährige lachend. Es sei ja auch eine Farbe der Selbstermächtigung – siehe «Barbie»-Film.
Lässt die Bibel diese Lesart wirklich zu? Oder werden die Texte so zurechtgebogen, damit sie in ein bestimmtes Weltbild passen? Ungewitter kontert, jede Theologie sei eine bestimmte Lesart – auch die patriarchal geprägte.
Wichtig sei, die jeweilige Auslegung gut zu begründen. Sie habe sich durch die alten biblischen Sprachen gearbeitet, um an die Bedeutungsspektren der Ursprungstexte zu gelangen.
Eva ist keine (Putz)hilfe
Dabei geht es etwa um die Frage, wie Frauen in der Bibel gelesen werden können. Eva als «Hilfe» des Mannes, wie Luther übersetzte? Nein: Das hebräische Wort eser heisse eigentlich «Rettung», sagt Mira Ungewitter. Im Gegenüber wird der Mensch, Adam, aus seiner Einsamkeit gerettet.
Sex, Blut, Abtreibung, Scham – Ungewitter nennt Dinge gern beim Namen. Sie erzählt von ihrer eigenen Menstruation und verbindet sich so mit der Erzählung der «blutflüssigen Frau» aus der Bibel. Es sei doch seltsam, wie viel Blut in Filmen vorkäme, doch «um dieses Blut machen wir so einen grossen Bogen», so Ungewitter.
Heiliger Lady-Gaga-Moment
Ungewitter schwärmt vom «Hohelied», einer Sammlung teils erotischer Liebeslieder im Ersten Testament. Und immer wieder fällt das Wort «heilig», was bedeute, dass etwas «heiler» wird.
Einen heiligen Moment hatte sie auf einem Lady-Gaga-Konzert. Auf einer kleinen Bühne mitten im Publikum habe Lady Gaga am Flügel «Born This Way» gesungen. 60'000 Menschen, darunter viele queere Menschen, die mitgesungen hätten: «Gott hat keinen Fehler gemacht. Ich wurde so geboren.»
Queere Menschen werden in Kirchen immer wieder ausgegrenzt und verletzt. «Dass sich der Zuspruch dann andere Wege bahnt, hat mich tief berührt», so die feministische Pastorin.
Queere Trauung aus Überzeugung
Als Freikirchlerin erlebt sie auch Gegenwind. Besonders nach der Trauung eines queeren Paares. In der Folge wurde sie aufgefordert, den Bund der Baptistengemeinden in Österreich zu verlassen. «Diese Trauung war für viele ein Schritt zu viel», resümiert sie.
Doch für sie sei klar gewesen, dass «Gott alle Menschen gleichermassen» segnen wolle. Nach dem Segen sei der 86-jährige Grossvater des einen Bräutigams zu ihr gekommen und dankte ihr: «Es kann doch nicht sein, dass niemand meinen Enkel segnen will.»