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Wie der Holcoaust auf Social Media verspottet und verdreht wird
Aus Kultur-Aktualität vom 19.07.2022. Bild: Getty Images
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Hate Speech im Netz Holocaust-Forscherin: «Telegram wird zu einem Ort voller Hass»

Holocaust-Leugnung im Netz gibt es schon länger. Ein neueres Phänomen ist die Verspottung und Verzerrung des Holocaust. Wie das auf Social-Media-Plattformen geschieht, beleuchtet nun erstmals eine neue Studie der UNO und Unesco. Die Ergebnisse seien alarmierend, sagt Historikerin Heather Mann, die die Studie koordiniert hat.

Heather Mann

Historikerin

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Heather Mann kommt aus Grossbritannien und ist promovierte Historikerin. Sie forschte über Bildung zum Holocaust und koordinierte die aktuelle Studie der Unesco und UNO. Ihr Interessensgebiet ist es, eine angemessene Erinnerungskultur über den Holocaust zu entwickeln. Besonders junge Menschen bräuchten dafür verlässliche Fakten, damit sie sich selbst kritisch mit der Geschichte auseinandersetzen können, so Mann.

SRF: Was fanden Sie an der Studie besonders auffallend?

Heather Mann: Ich finde es schockierend, wie viele Posts bei Telegram den Holocaust verleugnen und verzerren. Fast 50 Prozent insgesamt und 80 Prozent bei den deutschen Inhalten. Das ist alarmierend.

Warum ist diese Untersuchung wichtig?

Die Studie antwortet auf die vielen Fälle von Verleugnung und Verdrehung des Holocaust bei Social Media, auf die wir bei der Unesco und der UNO gestossen sind.

Bei Telegram entsteht eine Internet-Subkultur voller Hass.

Wir gleisten die Studie gemeinsam mit dem World Jewish Congress auf, um das genauer zu untersuchen. Holocaust-Leugnung ist leider kein neues Phänomen, es begleitet uns seit Jahrzehnten.

Doch die Verzerrung des Holocaust ist ein viel komplexeres Thema. Manche Formen sind sofort als antisemitisch zu erkennen, bei anderen ist das schwieriger. Da braucht es Fachwissen.

Warum ist Verzerrung schwerer zu erkennen?

Weil es so viele verschiedene Formen davon gibt. Während der Pandemie haben wir gesehen, dass viele Menschen den Holocaust nutzten, um gegen die Politik zu protestieren. Sie verglichen etwas Unvergleichbares, um sich zu beschweren.

Die Unesco-Studie «Angriff auf die Geschichte»

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Die Studie «Angriff auf die Geschichte – Holocaust-Leugnung und -Verzerrung in den sozialen Medien» wurde Mitte Juli 2022 von der Unesco publiziert. Dafür wurden 4000 Posts aus Juni und Juli 2021 analysiert. Diese kommen von den fünf Plattformen Facebook, Instagram, Telegram, TikTok und Twitter. Untersucht wurden Beiträge in deutscher, französischer, englischer und spanischer Sprache – je Plattform und Sprache 200.

Die Unesco schreibt: «Der Bericht zeigt, dass die Leugnung und Verzerrung des Holocausts auf Telegram, einer Plattform, die für ihren Mangel an Moderation und klaren Benutzerrichtlinien bekannt ist, massiv ist.

Fast die Hälfte (49 Prozent) der öffentlichen Inhalte mit Holocaust-Bezug auf dieser Plattform leugnet oder verzerrt die Fakten. Dieser Anteil steigt auf über 80 Prozent bei Nachrichten in deutscher Sprache und auf etwa 50 Prozent in Englisch und Französisch. Diese Beiträge, die für Personen, die auf der Plattform nach Informationen über den Holocaust suchen, leicht zugänglich sind, sind häufig ausdrücklich antisemitisch.

Auf moderierten Plattformen sind Leugnung und Verzerrung ebenfalls präsent, allerdings in geringerem Umfang. Sie betreffen 19 Prozent der Holocaust-bezogenen Inhalte auf Twitter, 17 Prozent auf TikTok, 8 Prozent auf Facebook und 3 Prozent auf Instagram.

Die Verfälschung der Fakten über den Holocaust nimmt dann aber neue Formen an: Die Täter lernen, die Moderation von Inhalten zu umgehen, indem sie humorvolle und parodistische Memes als Strategie einsetzen, um antisemitisches Gedankengut zu normalisieren, indem sie es beispielsweise als Mainstream erscheinen lassen.»

Weitere Formen sind Glorifizierung und Verspottung. Menschen sagen also nicht, dass der Holocaust nicht stattfand, sondern benutzen ihn als Witz. Das finde ich verstörend.

Solche Formen ziehen Follower an und radikalisieren. Das Gefährliche ist, dass antisemitische Vorurteile durch Witze schneller und breiter gestreut werden.

Können Sie auch etwas über die Motive der Menschen sagen, die solche Inhalte posten?

Nicht direkt. Aber auffallend waren die vielen alten antisemitischen Vorurteile. Bei Telegram waren sie besonders extrem und hasserfüllt.

Diese Formen von Hate-Speech stehen bei Telegram neben Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Islamophobie und anderen extremistischen Inhalten. Dort entsteht eine Internet-Subkultur voller Hass.

Die Studie führt das darauf zurück, dass es bei Telegram keine Strategie zur Regulierung solcher Inhalte gibt.

Von allen fünf Plattformen, die wir untersuchten, ist Telegram die einzige, die das gar nicht hat. Alle anderen haben Holocaust-Leugnung verboten. Deshalb wird Telegram zu einem sicheren Hafen für Menschen, die den Holocaust leugnen oder verdrehen wollen.

Bei den deutschsprachigen Telegram-Inhalten waren es sogar 80 Prozent, die den Holocaust verleugnen oder verzerren. Woran liegt das?

Die Studie konnte nicht nachvollziehen, aus welchem deutschsprachigen Land die Posts kamen. Dennoch wurde deutlich, dass viele deutsche Posts einen Bezug zur Geschichte, zu Nazi-Deutschland hatten.

Es braucht starke Gegenkampagnen.

Sie unterrichteten zum Thema Holocaust. Was folgern Sie daraus?

Es ist unser aller Verantwortung, die Geschichte historisch korrekt zu erinnern. Doch Länder, die so ein schwieriges Erbe haben, haben zusätzlich die Verantwortung, sich der Geschichte zu stellen. Deshalb formulieren wir so viele Handlungsempfehlungen für Regierungen, Plattformen und für die Bildungsverantwortlichen.

Zum Beispiel?

Es braucht starke Gegenkampagnen. Zum Beispiel leiten Facebook und TikTok Menschen auf eine Bildungsseite um, welche die Unesco mit aufgebaut hat – mit Fakten zum Holocaust.

Das Gespräch führte Dorothee Adrian.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 19.7.2022, 7:06 Uhr ; 

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