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Im engsten Zug der Welt Absurde Neuregelung: Nur ein Kontrabass pro TGV, mehr nicht!

Geigen kein Problem, Kontrabässe stark begrenzt: Im TGV gilt eine neue Gepäckregelung: nur ein Kontrabass pro Zug. Für Orchester ein Affront.

Danja Nüesch

Kulturredaktorin

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Danja Nüesch fährt seit Jahren regelmässig mit dem TGV – zu ihrer angeheirateten Familie in Frankreich. Mit dem TGV verbindet sie eine Hassliebe.

Es ist nur zeitgemäss im Zug zu fahren, fanden französischen Musiker. Und forderten eine Aufhebung des Verbots, grosse Instrumente im TGV zu transportieren.

Die gute Nachricht: Kontrabässe dürfen nun neu im «Train à Grande Vitesse» mitgeführt werden. Das verkündete die französische Kulturministerin Rachida Dati am Wochenende feierlich und symbolträchtig direkt am Gare de Lyon in Paris. Eine kleine Einschränkung: Pro Zug darf nur ein so voluminöses Instrument mitreisen.

Kontrabassisten, bitte einsteigen. Aber eben nur einer aufs Mal.

Für Orchester, die meist gemeinsam unterwegs sind, eine Farce. Und für die Musikerinnen und Musiker eine Niederlage im Kampf gegen ein Verbot, den sie schon lange führen. Bereits 2021 forderte ein Kollektiv von Musizierenden in «Le Monde»: Wenn Skis und Surfbretter mitreisen dürfen, soll auch Platz für sperrige Instrumente sein. Schliesslich seien die Musikerinnen ja auch für die hiesige Hochkultur unterwegs.

Offene Zugtür eines Doppelstockwagens im Bahnhof.
Legende: Einmal alle einsteigen! Aber nicht der zweite Kontrabass. Das wär doch wirklich zu viel verlangt. Oder? Getty Images/aire images

Das hörte die französische Eisenbahngesellschaft SNCF, liess in einer Testphase im Sommer 2024 probeweise Kontrabässe zu und kam nun gemeinsam mit dem Kulturministerium zum Schluss: Kontrabassisten, bitte einsteigen. Aber eben nur einer aufs Mal.

Ich bin jeweils froh, überhaupt meinen Platz frei aufzufinden.

Die Beschränkung: natürlich bedauerlich für Orchester. Man nimmt ihnen damit einen praktikablen Weg, möglichst nachhaltig zu reisen. Dennoch drängt sich mir als Passagierin die Platzfrage auf: Wo bitte sollen im gefühlt engsten Zug der Welt noch mehrere Kontrabässe stehen?

Ich, die selbst schon viele Stunden im TGV verbracht hat, bin jeweils froh, überhaupt meinen Platz frei aufzufinden. Der Koffer kommt grad noch unter – wenn auch nur der im Kleinformat. Kinderwagen – könnte man zusammenklappen. Lässt man aber besser grad mit den krachmachenden Kindern zu Hause.

Telefonieren geht – aber nur neben der Toilette.

Denn Ruhe herrscht im TGV: Telefonieren im Zugabteil kommt bei den Französinnen und Franzosen nicht infrage. Silence, s’il vous plait. Telefonieren geht – aber nur neben der Toilette. Da ist man streng. Auch in Zeiten, wo das Business ständig ruft. Und in Anbetracht des aus der Zeit gefallenen Designs macht man auch gerne mal in Ruhe ein Nickerchen. Hauptsache, nächster Halt Paris.

Mann fährt grosses Musikinstrument auf Dreirad.
Legende: Mit so voluminösem Gepäck wie einem Kontrabass heisst es: kreativ werden! Connect Images/Lost Horizon Images

Letztens, als ich vom Kontrabass-Transportproblem im TGV noch gar nichts ahnte, frage ich die Cousine meines Mannes – eine professionelle Kontrabassistin, die in einem Aussenquartier von Paris lebt –, wie sie denn jeweils zu den Proben in die Innenstadt fahre. Bei dem Verkehr, vermutete ich, trotz zahlreicher Treppenstufen an den Metrostationen und Aufzügen, die zuverlässig hors service sind, mit der Métro. Sie meinte: mit dem Auto. Natürlich.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 17.2.2025, 16:30 Uhr.

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